Abmahnungen wg. Google Fonts

5. November 2022 13:02 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Aktuell schwappt wieder einmal eine Abmahnwelle durch Deutschland. Es geht um Google Fonts, die von einer Webseite (aus den USA?) nachgeladen werden und durch die Übermittlung der IP-Adresse an Google ein angeblicher Datenschutzverstoß vorliege.

Eifrige Anwälte (z.B. Stephan Schmidt https://twitter.com/stephanschmidt/status/1588075423166074881) haben die Abmahnungen gesammelt und analysiert. Es sind Massen-Abmahnungen, wo die „betroffene“ Partei per Crawler sich Webseiten heraussucht, die Google Fonts nachladen und diese ominös abmahnen. Ein Geschäft, wo es immer den „Betroffenen“ und einen Anwalt gibt, der die Abmahnung nebst Schadensersatzforderung versendet.

In einem sehr schönen Artikel „Die neueste Sau im Datenschutz-Dorf: Massenabmahnungen wegen extern eingebundener Schriften auf Websites“ (https://www.cr-online.de/blog/2022/11/04/google-fonts-aufdringliche-abmahnungen/) hat Rechtsanwalt Christian Franz, LL.M., die Faktenlage zusammengefasst.

Die Forderungen des Abmahners entbehren nahezu jeglicher Rechtsgrundlage und stellen im Prinzip – angesichts der Massenabmahnungen – einen Rechtsmißbrauch dar. Die technischen Abläufe zeigen deutlich, dass der vermeintlich „Betroffene“ selbst die Aktionen zum Laden von Google Fonts initiiert. Eine Übermittlung der Daten zu Google in den USA ist sowieso nicht gegeben, da solche millionenfachen Auslieferungen von nächstgelegenen Servern, also wahrscheinlich sogar aus Deutschland erfolgen. Mit der Übermittlung einer IP ist zu dem kein Rückschluss auf eine Person möglich, die einen Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte oder die DSGVO begründen würde. Google selbst schließt eine solche Verarbeitung aus. Und dann ist da noch der Einsatz von Crawlern, um systematisch Webseiten zu ermitteln, die sich die Google Fonts dynamisch herunterladen. Es geht also nicht um die schützenswerten Rechte einer Einzelperson. Gäbe es nicht ein Urteil zu Google Fonts, könnte man solches auch bei Captchas, Links in Artikeln zu Quellen im Ausland, externen Ressourcen des Webportals und anderen „GET“-Situation zum Anziehen externer Ressourcen vermuten. Da es dort keine Urteile gibt, stürzt sich der „Abmahn-Anwalt“ halt auf die Google Fonts. Aber es gibt bereits eine Einzelfallentscheidung (nicht zu verallgemeinern) gegen einen Google-Fonts-Abmahner: LG Baden-Baden, 1.10.2022, einstweilige Verfügung gegen den Abmahner Martin Ismail. Es kommt also bei den Empfängern zunächst darauf an, richtig auf eine solche Abmahnung zu reagieren (https://www.e-recht24.de/google-fonts-scanner). Als erstes sieht man selbst nach, ob die Google-Fonts wirklich von extern nachgeladen werden und man schaut in die Protokolle, wie häufig denn durch Bots oder Crawler an dem Tag auf die eigene Webseite zugegriffen wurde. Dann befragt man am Besten einen Anwalt, der bereits erfolgreich gegen solche Abmahnungen im Internet agiert hat. In jedem Fall aber erstmal nicht zahlen und keineswegs in Panik verfallen.

Bei PROJECT CONSULT Unternehmensberatung (www.PROJECT-CONSULT.com) hosten wir externe Ressourcen wie Google Fonts, Captchas und andere selbst. Unsere Webseite wird bei einem deutschen Anbieter auf Servern in Deutschland gehostet.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

4 Kommentare zu “Abmahnungen wg. Google Fonts

  • IP-Adressen und verarbeitung durch Google
    2. Dezember 2022 um 9:21
    Permalink

    Sie schreiben: „Mit der Übermittlung einer IP ist zu dem kein Rückschluss auf eine Person möglich, die einen Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte oder die DSGVO begründen würde. Google selbst schließt eine solche Verarbeitung aus.“
    Das kann man auch anders sehen. Nach einem Urteil des EuGH sind IP-Adressen grundsätzlich personenbezogene Daten. Was Google damit macht, hat Google noch nie transparent dargestellt. Auch die diesbezügliche Überwachung durch staatliche US-Stellen ist nicht transparent. Folglich ist jegliche „Verlinkung“ oder „Umleitung“ eines Website-Besuchers ohne ausführliche, datenschutzrechtliche Information (Risiken!) mangels Transparenz bei der Verarbeitung und ohne informierte Einwilligung gundsätzlich unzulässig.
     

    Antwort
    • IP-Adressen & Verarbeitung durch Google
      2. Dezember 2022 um 10:11
      Permalink

      Sehr geehrter Herr Meyer,
      zwar exerpiere ich in meinem Text nur die oben zitierte Meinung von RA Christian Frank, möchte aber Ihren Kommentar nicht unbeantwortet lassen, da ich auch der Auffassung des Rechtsanwaltes bin.
      Das Internet ist per se eine Landschaft, wo man nie weiß, wo die eigenen Daten transportiert oder gelagert werden. Der Verkehr wird über zentrale Verteiler über irgendwelche Leitungen rund um den Globus geleitet. An jeder Stelle des Transportes, der Zwischenspeicherung und der Verarbeitung ist eine Interpretation von identifizierenden Daten möglich und auch notwendig, um Informationen  an die richtige Stelle ausliefern zu können. Sieht man sich nun die Welle der Abmahnungen bzgl. Google Fonts an, wird schnell klar, dass ohne eine entsprechendes Urteil in diesem speziellen Fall der Übermittlung von Nutzer-IPs überhaupt nichts passiert wäre. Es gibt zahlreiche andere Punkte der Datenübermittlung, die eigentlich viel kritischer sind. Hierzu gehören z.B. Eingabe, Übermittlung und Speicherung von Passworten, Auswertungen wie Google Analytics und Ähnliches. Hier fehlen die großen Abmahnwellen, weil es kein entsprechendes Urteil gibt, das man ausschlachten könnte.
      Ich selbst besuche nur Webseiten, deren Informationen ich haben möchte. Ich kenne keine, die nicht über den Datenschutz informiert und meine Zustimmung abfragt.
      Auf PROJECT-CONSULT.com benutzen wir kein Google-Analytics, keine Protokollierung und auch nur eingebundene, lokal gespeicherte Fonts.
      Für uns ist daher die Abmahnwelle nur ein Ärgernis und weniger ein seriöser Kritikpunkt an Google.
      Dr. Ulrich Kampffmeyer

      Antwort
  • Razzia wegen Betrugs rund um Google-Schriftarten
    21. Dezember 2022 um 17:07
    Permalink

    Na, das ist doch mal ein gutes Ende für die Abmahnhaie – hier die Nachricht auf Spiegel online  https://www.spiegel.de/netzwelt/web/razzia-wegen-betrugs-rund-um-google-schriftarten-a-d70a829e-05b9-47ba-8eab-fa90996e4cca. <Zitat> „Ein Anwalt und sein Komplize sollen Tausende Privatpersonen und Händler betrogen und zum Teil erpresst haben. Ihr Geschäftsmodell: Abmahnungen wegen der Verwendung von Googles Schriftarten.
    Ein Berliner Rechtsanwalt und sein Mittäter sollen Tausende Nutzerinnen und Nutzer von Google-Schriftarten betrogen und zum Teil erpresst haben. Die Polizei durchsuchte am Mittwoch Räume in Berlin, Hannover, Baden-Baden (Baden-Württemberg) sowie Ratzeburg (Schleswig-Holstein) und beschlagnahmte zahlreiche Unterlagen und Daten, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Ermittler gehen von 346.000 Euro Schaden aus und haben diese Summe festgesetzt, um das Geld beschlagnahmen zu können. 
    Der Rechtsanwalt soll in mehr als 2400 Fällen Abmahnungen an Privatpersonen und kleine Händler geschickt haben, die auf ihren Internetseiten sogenannte Google Fonts nutzten, das sind fast 1500 Schriftarten und Hilfsdateien, die Google kostenlos zur Verfügung stellt. Bei Verwendung auf einer Webseite werden die Schriftarten direkt von einem Google-Server heruntergeladen. Der Jurist soll von den Geschädigten jeweils 170 Euro als Vergleichszahlung gefordert haben. Seine Begründung ist prinzipiell richtig: Internetseiten, die diese Schriftarten nutzen, übermitteln automatisch die IP-Adressen von Besuchern der Seite an Google. Diese automatische Weitergabe ist in Deutschland nicht zulässig. Im Detail ist der Sachverhalt aber komplexer, wie der SPIEGEL hier erklärt . Die Staatsanwaltschaft betonte, bei diesem bewussten Vorgehen gebe es eben keine Verletzung des Datenschutzes, erst Recht nicht, weil ein Computerprogramm die Seiten aufgerufen habe. Stattdessen hätten die Männer als Betrüger und Erpresser agiert. Etwa 2000 Menschen hätten aus Sorge vor einem Gerichtsverfahren gezahlt. Weitere 420 Menschen hätten den Anwalt angezeigt.“ </Zitat>
    Danke an den Spiegel für den Artikel!

    Antwort
    • Erstes Urteil gegen Google-Fonts-Abmahner
      29. Dezember 2022 um 11:39
      Permalink

      Das Amtsgericht Charlottenburg hat unter Aktenzeichen  217 C 64/22 am 20.12.2022 geurteilt, dass „der Beklagte gegen die Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 170 € hat, wie mit Schriftsatz seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2022 (1/1226544/2022) geltend gemacht.“ (https://www.anwalt.de/rechtstipps/google-fonts-urteil-des-ag-charlottenburg-217-c-64-22-gegen-martin-ismail-im-volltext-207244.html).

      In der Begründung heißt es:

      „Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
      Die (negative Feststellungs-) Klage ist zulässig; insbesondere ist den Klägern nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse abzusprechen. Die Klage ist auch begründet. Nach dem Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten kann nicht von einem Anspruch gegen die Kläger ausgegangen werden, weder aus § 823 BGB noch aus der Datenschutzgrundverordnung oder unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt.
      Zwar mag im Falle der Wahl der sog. „dynamischen Variante“ (die Einbindung der Schriftart erfolgt nicht über den eigenen Server, sondern durch ein Code-Snippet im HTML-Code der Webseite) grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen; wird nämlich die Internetseite nunmehr aufgerufen, so wird eine Verbindung zu den Google-Servern aufgebaut, wobei sodann zumindest die IP-Adresse des Seitenbesuchers an Google übertragen wird. Erfolgt diese Datenübertragung ohne vorherige Einwilligung des Nutzers, so kann hierin ein Datenschutzverstoß liegen. Das LG München, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, hat in einem solchen Fall einen Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz zugesprochen. Allerdings mangelt es insoweit an einem nachvollziehbaren Vortrag des Beklagten, sowohl hinsichtlich der Handlung als auch hin- sichtlich der Höhe des begehrten Schadensersatzes.
      Ob die Geltendmachung des Anspruchs nicht ohnehin rechtsmissbräuchlich ist, muss daher nicht entschieden werden. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dient zwar dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Die DSGVO sieht daher auch Ansprüche auf Schadenersatz vor, wenn es zu einem Datenschutzverstoß gekommen ist [und die] gesetzlichen Regelungen nicht zum bloßen Selbstzweck verkommen und nicht ganz offensichtlich rechtsmissbräuchlich genutzt werden sollen, indem sich vermeintlich Geschädigte hier eine Einnahmequelle durch das massenhafte Versenden von „Abmahnungen“ schaffen. Vorliegend macht der Beklagte derartige Ansprüche in großem Umfang geltend, weshalb ein Rechtsmissbrauch durchaus vorliegen könnte.
      Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.“

      Damit ist das Einfordern von 170,00 € vom Tisch, aber die Abmahner sind noch nicht straf- oder zivilrechtlich belangt. Dies wird Zeit, um dem unlauteren Abmahnwesen die Grundlage zu entziehen.

      Antwort

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