Komplexität: Planung vs. Agilität

24. Februar 2022 11:23 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Der Begriff „agile“ macht die Runde. Agilität ist überall gefordert, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Dynamik. Dies soll natürlich auch für Projekte gelten. Ziel ist es, ohne viel Overhead Vorhaben schneller und besser zu Ende zu bringen.

„Agile“ ist eng verbunden mit der Scrum-Methode. Dies begann schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit den Projekt- und Wissensmanagement-Ansätzen von Nonaka und Takeuchi. „Scrum“ steht hier für das Gedränge, das gegeneinander verschiedener Teams, die um ihren Erfolg ringen und so sich gegenseitig beflügeln. Die Analogie zu Scrum beim Rugby war so gewollt.

Scrum besteht nur aus wenigen Regeln und Prinzipien. Diese orientieren sich am Vorgehen in Software-Entwicklungsprojekten.

Hierzu gehören Prinzipien wie „Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge,“, „funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation (hieraus resultiert auch die Nachlässigkeit bei der Dokumentation, die später zu massiven Problemen führt), „die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen“ (mit anschließendem Ärger, was wirklich bestellt wurde) und „reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans“. Scrum beinhaltet für dieses Vorgehen nur wenige Elemente wie Ereignisse und Rollen, die ein transparentes, überprüfbares und sich kontinuierlich anpassendes Vorgehen erlauben.

Dies mag in der Softwareentwicklung teilweise funktionieren, kann aber keine generelle Vorgehensweise für beliebige Projekte darstellen. „Agile“ wird häufig zum Kampfbegriff, wenn es gilt, fehllaufende Entwicklungen in Projekten zu begründen – man mache jetzt halt alles „agile“. Agile Vorgehensweisen werden häufig gegen „Wasserfall“-Modelle positioniert, wo es in einer geregelten Abfolge von einem Arbeitspaket zum nächsten geht. Projektpläne mit den Abhängigkeiten zieren häufig ganze Wände und sind auch nur schwer nachzuhalten. Für jede Aufgabe gilt es Ressourcen, Termine, Ergebnisse und Abhängigkeiten zu definieren und ständig aktuell zu halten. Steuerung und Kontrolle, die „Governance“ des Projektes stehen im Vordergrund. Noch komplexer wird es, wenn ein komplettes Programm abzuarbeiten oder eine Multi-Projekt-Umgebung zu berücksichtigen ist. „Wasserfall“-Modelle haben ebenso wie „Agile“-Modelle ihre Grenzen. Die meisten Projektmanagement-Werkzeuge zielen aber auf die Unterstützung von Wasserfall-Modellen, da es hier klare Regeln und Abhängigkeiten gibt, die sich gut verwalten und darstellen lassen.

Was wird der Komplexität von Informationsmanagement-Einführungsprojekten gerecht? Wasserfall oder Agile?

Auch im Informationsmanagement geht es häufig um Software. Man könnte auch hier im ersten Ansatz an ein agiles Vorgehen denken. Die Einführung einer Informationsmanagement-Lösung ist aber kein Softwareentwicklungsprojekt, denn individuelle Programmierung sollte es schon gar nicht geben sondern nur Konfiguration und Integration mit Standardkomponenten. Information-Management-Projekte sind häufig Organisations- und Change-Management-Vorhaben. Zwar käme hier der erste Leitsatz von Scrum gut zu Pass, aber er geht um gänzlich andere Vorgehensmodelle. Die Komplexität von solchen Vorhaben macht es schwer, gradlinig nach „Wasserfall“-Prinzipien vorzugehen. Jedoch ist eine Vorausplanung unerlässlich, in der das Vorgehen, Beteiligte, zu erzielende Effekte, Kosten und andere wichtige Parameter festgelegt werden. Gleiches gilt für Termine und Beteiligung der Mitarbeiter, will man die Organisation nicht vollständig aus dem Gleichgewicht bringen oder gar Lahmlegen. Die Einführung einer neuen Lösung mit geänderten Prozessen und neuen Arbeitsweisen – klassischen Merkmalen von ECM-, DMS- und BPM-Projekten – bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung. Die Rahmenbedingungen müssen feststehen. Diese muss aber flexibel auf Veränderungen im Zeitplan, Beteiligte und andere Ressourcen reagieren können. Nicht alles ist vorhersehbar. Dennoch ist die Gefahr in komplexen Projekten größer, dass man mit Agile in ein Chaos hineinläuft als bei einer sauberen Planung, die regelmäßig nachgeprüft wird, transparent für alle Beteiligten ist und ein strukturiertes, für alle nachvollziehbares Vorgehen erlaubt.

Idealerweise kombiniert man herkömmliche Wasserfall-Modelle mit agilen Methoden. Hierbei können während einer Phase oder einer Aufgabe innerhalb des traditionellen Projektplans agile Ansätze und andere Change-Management-Methoden eingesetzt werden. Abhängigkeiten können nicht mehr nur zeitlich oder konditional definiert werden sondern in iterative Schritte oder Wiederholungsschleifen münden. Der vorgegebene Plan jedoch muss in Bezug auf die Ziele und Ergebnisse stabil bleiben, um Scope-Shift zu vermeiden und das Projekt erfolgreich abschließen zu können.

Als Modell für die Kombination von Wasserfall- und agilen Strategien bietet sich Mike2 an. Mike2 steht für „Method for an Integrated Knowledge Environment„. Mike2 ist eine Open-Source-Ressource, die speziell für Information-Management-Projekte entwickelt wurde. Mike zwei bietet so bei Ablauf von Projekten iterative, rekursive Schleifen an, die in Teilprojekten und Phasen eines Vorhabens durchaus variabel und agile abgearbeitet werden können. Durch den Fokus auf Information Management und Information Governance ist dies ein praktikabler Ansatz Enterprise-Content-Management-Projekte. Die Nutzung der Methode ist kostenfrei und erfordert keine Zertifikate, Registrierungen oder andere Maßnahmen. Die einzelnen Elemente können für jedes Vorhaben beliebig dimensioniert und kombiniert werden. Mike2 ist Bestandteil des Schulungs-, Kurs- und Weiterbildungsprogramms von PROJECT CONSULT.

Die Frage ist also nicht, ist Wasserfall oder Agile die richtige Methodik, sondern die sinnvolle Kombination, die für ein Informationsmanagement-Projekt angemessen und praktikabel ist.

Mike2 ist die ideale Methode für Informationsmanagement-Projekte, da sie “Wasserfall”-Modelle mit “Agile”-Ansätzen kombiniert.

[Dr. Ulrich Kampffmeyer,
AIIM ECM Master Kurs, 2017]

Wir freuen uns, wenn Sie hier als Kommentar Ihre Erfahrungen zum Einsatz unterschiedlicher Projektmanagementmethoden bei Informationsmanagement-Projekten posten.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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