1000 Jahre Haltbarkeit …
23. November 2022 16:41 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink

Auf Reddit gab es einen Artikel zur M-Disc von Verbatim – einem digital-optischen Speicher, der mit einer Haltbarkeit von 1000 Jahren wirbt. Dieser fand auch Niederschlag auf Heise.de: „Langzeitarchivierung: Verwirrung um die M-Disc„. Reddit-User waren der Meinung, dass nicht mehr die originäre, für die Langzeitarchivierung geeignete M-DISC von Verbatim in d die Verpackungen wandere, sondern eine einfachere beschreibbare Blue-Ray. Begründet wurde dies mit geänderten technischen Daten wie der Schreibgeschwindigkeit. Verbatim erklärte daraufhin, dass die M-DISC weiterentwickelt worden ist und so eine verbesserte Schreib-Geschwindigkeit habe. Also wahrscheinlich ein Sturm im Wasserglas.

https://www.reddit.com/r/DataHoarder/comments/yu4j1u/psa_verbatim_no_longer_sells_real_m_discs_now/
Vor 20 Jahren gab es noch zahlreiche Anbieter von digital-optischen Speichermedien in WORM Write-Once-Read-Many-Technologie. Spezielle Laufwerke, Jukeboxen und Medien dieser Ära sind vom Markt praktisch verschwunden. Übriggeblieben sind zwei Anbieter: Verbatim, deren Medien in normalen Blue-Disc-Laufwerken geschrieben werden können, und Sony, die mit speziellen Laufwerken des Optical Disc Archive nunmehr in der dritten Generation digital-optische Medien im Blue-Ray-Format anbieten. Sonys Cartridges haben bis zu 5,5 TB. Verbatim ist eher im unteren Segment mit Medien bis zu 100 GB unterwegs. Sony bietet zudem auch Jukeboxen an. Soweit so gut – es gibt sie noch, die digital-optischen Speichermedien.

Verbatim MDISC 100GB
https://www.verbatim.de/de/cat/mdisc-archival-media/

https://pro.sony/de_DE/products/stand-alone-drives
1000 Jahre Haltbarkeit …
Über das Marketing-Argument „1000 Jahre Haltbarkeit“ lohnt es sich noch einmal nachzudenken. Bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war diese werbliche Aussage zu hören. Die theoretische Haltbarkeit ist dabei nur aus Labortests hochgerechnet. Das älteste zweiseitige optische WORM-Medium im Disc-Format mit spiralförmiger Informationsaufzeichnung ist der Diskos von Phaistos aus der Bronzezeit – und der ist nicht mehr lesbar (weil Linear A noch nicht endgültig entziffert ist).

https://de.wikipedia.org/wiki/Diskos_von_Phaistos
„1000 Jahre Haltbarkeit“ ist also eher ein Anti-Verkaufsargument, weil jeder vernünftig Denkende sofort weiß, dass es dann weder diese Technologie noch die Formate der gespeicherten Information, noch die passenden Schnittstellen, noch die Geräte, noch die Treiber, noch die Software geben wird. Selbst wenn das Medium gefunden würde, wäre der Inhalt kaum noch erschließbar. Also was tun?
Continuous Migration
Für den Privatanwender kann ein solches Medium durchaus sinnvoll sein – besonders wenn man vertrauliche Informationen nicht in die Cloud stellen will und sich die Zeitnimmt, das Medium im Schließfach der Bank wirklich regelmäßig zu aktualisieren. Aber auch hier gilt, wie bei allen anderen IT-Installationen:
(1) Sicherheitskopien, Sicherheitskopien, Sicherheitskopien … mit verschiedenen Systemen und Medien,
(2) Testen, Testen, Testen … der gesicherten Informationen und Medien, und
(3) Continuous Migration – kontinuierliche Migration für alle relevanten Daten.
Regelmäßig umkopieren und dabei prüfen, ob alles vollständig und lesbar ist.

https://www.project-consult.de/seminare/elektronische-archivierung-und-rechtsfragen-des-dokumentenmanagements/

https://www.project-consult.de/seminare/elektronische-archivierung-und-rechtsfragen-des-dokumentenmanagements/
Migrationen sind im Voraus zu planen (siehe auch „Preservation Planning“ in ISO 14721 OAIS), zu budgetieren, vorzubereiten und durchzuführen, bevor System-, Medien-, Format- oder eine andere Obsoleszenz eintritt. Die Migration schließt auch notwendige Wandlung von Formaten und Aktualisierung der Verwaltungsinformationen, z.B. in einer Datenbank, ein. Nur so lässt sich aktuell wirklich sicherstellen, dass die Informationen weiterhin nutzbar bleiben.
„Die Migration von Archivsystemen ist keine Ausnahme, sondern ein Standardprozess bei der langzeitigen Aufbewahrung von Informationen. Die spätere Migration ist daher schon bei der Neuinstallation einer Lösung zu planen und zu testen.“
Dr. Ulrich Kampffmeyer
Seminar Elektronische Archivierung, 1994

Kommentare erwünscht!
Eine andere Meinung?
Wir freuen uns über Beiträge als Kommentar!