HP setzt auf Software und steigt in den ECM Markt ein

19. August 2011 09:27 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Hewlett Packard setzt auf Software. Ein Zielmarkt ist ECM Enterprise Content Management. Am 18.08.2011 kündigte HP an, für ca. 10 Milliarden US$ den Anbieter Autonomy zu übernehmen.

Mit der Ankündigung musste HP auch gleich eine Schlappe mitteilen: den Ausstieg aus Smartphone- und Tablet-Geschäft. webOS hat hier keine Chance. Auch aus einigen Hardwarebereichen wie dem PC-Geschäft will sich HP zurückziehen. HP setzt auf Software und Services. Viele Analysten sehen hier HP auf dem Weg zu einem vergleichbaren Konzept wie IBM (Bloomberg, TechCrunchZDnet u.a.). Mit einem Big Bang soll dieser Markt erobert werden. Das Acquisition Target ist Autonomy. Über 10 Milliarden US$ ist die bisher größte Investition von HP in ein Softwareunternehmen (ganz abgesehen davon,dass dies 10mal soviel ist, wie Autonomy wert sein dürfte). Dies macht die strategische Bedeutung deutlich. Manche sehen dies aber auch nur als "Befreiungsschlag" und bezweifeln die Strategie.

Blicken wir einmal auf die speziellen Auswirkungen für den ECM Markt. Autonomy ist einer der führenden Anbieter im ECM Markt, so Gartner im ECM Magic Quadrant 2010. Autonomy hat nicht nur die eigene Suchtechnologie sondern hatte durch mehrere Acquisitionen, wie z.B. Interwoven, sich breiter im ECM-Umfeld aufgestellt. Dadurch kam Autonomy fast in den rechten oberen Quadranten, wo sich IBM, Oracle, Microsoft, ECM und OpenText gemütlich eingerichtet hatten. Neben OpenText ist Autonomy einer der wenigen großen, noch unabhängigen ECM-Anbieter. Fast wäre aber die Unabhängigkeit von Autonomy schon im letzten Jahr vorbei gewesen, denn auch Oracle und Microsoft hatten sich ernsthaft für Autonomy interessiert (und natürlich gab es auch immer wieder Gerüchte wer denn nun wann OpenText kauft – und OpenText wäre eigentlich die sinnvollere Akquisition für HP gewesen). Nach außen hin hat Autonomy gute Zahlen und Erfolg, intern bröckelte es aber an der einen oder anderen Stelle und eine durchgängige ECM-Strategie war zu vermissen.

Durch diese Akquisition kommt nun HP direkt in den rechten oberen Quadranten, wo sich fast nur noch IT-Generalisten und keine ECM-Spezialisten mehr tummeln (damit dürfte sich der Gartner ECM Quadrant auch selbst erledigt haben …). HP hat aber auch Bereinigungsbedarf. Im Bereich Archivierung gibt es mehrere Produkte. Der Bereich Records Management sollte just nach vorne gepuscht werden. Hier hatte HP den Anbieter Tower Software aus Australien übernommen, der stark auch im E-Government und bei Records Management Standards wie MoReq2010 vertreten ist. Die neue Strategie von Apotheker wird auch diese Bereiche umkrempeln.

Die Konsolidierung im Markt für Enterprise Content Management erreicht so einen neuen Höhepunkt. Auch im deutschsprachigen Raum war mit der Übernahme von ALOS jüngst wieder ein Merger zu verzeichnen. Dimension und Markteinfluss sind hier jedoch ganz anders zu bewerten als bei dem Markteintritt von HP. Dieser wird massiven Druck auf IBM und EMC erzeugen, die mit ähnlichen Konzepten am Markt sind. In Bezug auf Microsoft bietet sich eher eine Allianz an, da Sharepoint kein ernsthaftes ECM-Produkt ist sondern gut mit Tower und Autonomy-Produkten ergänzt werden kann. Und dann ist da noch der Markt für die Langzeitarchivierung, Digital Preservation, wo HP mit einem Partner in Deutschland (SER) erste Erfolge verzeichnen konnte. Ob allerdings das Partnergeschäft so bestehen bleibt, angesichts der massiven Investititionen in Software und Services, ist zu bezweifeln.

Auf XING haben wir zu diesem Thema einen Diskussionsbeitrag gepostet.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

3 Kommentare zu “HP setzt auf Software und steigt in den ECM Markt ein

  • Zur Partnerschaft von SER und HP
    22. August 2011 um 20:48
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    SER (www.ser.de) hat gerade in diesen Tagen einen langfristig angelegten Vertrag bis in das Jahr 2015 hinein für eine Ministerialverwaltung mit HP zu Stande bringen können und erweitert parallel die Zusammenarbeit im Markt für Langzeitarchivierung in verschiedenen europäischen Ländern.

    Der Umbau bei HP und das Investment in Autonomy ist ein Signal, die Bedeutung von Softwarelösungen als Bestandteil das strategische HP-Business zu stärken, verstärkt die Wahrnehmung und Bedeutung von ECM im Allgemeinen und darüber hinaus speziell innerhalb von HP. In einem solchen wachsenden Markt mit neuen Kundenbedürfnissen bleibt ausreichend Platz insbesondere für Partner wie SER, die als inhabergeführte mittelständische Softwareherstellerin viel flexibler auf Wünsche der Endkunden und auch regionale Anforderungen reagieren kann, als die sogenannten Großen. Auch für zukünftige Projekte sieht SER daher gute Perspektiven in der Zusammenarbeit mit HP. SER wird dieser Partnerschaft seinerseits unverändert die Treue halten.

    Autonomy hatte bisher im deutschen bzw. deutschsprachigen ECM-Markt, aber auch im übrigen Europa mit Ausnahme von Großbritannien, keine nennenswerte Rolle gespielt, so dass von der HP-Akquisition in dieser Region nur sehr wenig Änderungen im ECM-Markt zu erwarten sind. Auch die Position im Quadranten hilft regional nur wenig. Spannend bleibt, ob SAP oder ORACLE sich nun näher mit Opentext befassen werden, nach dem HP, IBM und EMC quasi „bedient“ sind. Es wird Gründe geben, warum sich HP seinerseits nicht für Opentext „interessiert“ hat. Übrigens hatte auch die Übernahme von Tower Systems durch HP vor einigen Jahren keinen Einfluss auf die Partnerschaft zu SER.

    Kurt-Werner Sikora, SER Solutions Deutschland GmbH

    Antwort
  • HP: Milliardenverlust mit Autonomy?!
    20. November 2012 um 18:55
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    Tja der *Autonomy-Deal* vom vergangenen Jahr. HP wollte groß ins Software-Business aber hatte keine Idee wie sie professionell ins Umfeld Dokumentenmanagement einsteigen sollten – denn da ist eigentlich Autonomy angesiedelt. Bereits in der Vergangenheit war HP mehrfach mit wenig Erfolg in diesem Marktsegment unterwegs gewesen, z.B. sehr früh mit der übernommenen Apollo – wer entsinnt sich noch? Dann wurde in den letzten Jahren einiges im Umfeld Records Management, Archivierung, Search etc. eingekauft – Tower, Autonomy und andere. Und Dokumentenmanagement-Lösungen wurden projektorientiert parallel auch mit Partnern und deren Produkten gemacht. Richtig integriert wurden die Aufkäufe bei HP nicht und eine richtige ECM-Strategie gab es nie.
    8,8 Milliarden, das ist heftig! Aber Autonomy wurde zu hoch bezahlt, da verwundert das eigentlich garnicht. PROJECT CONSULT hat am 19.08.2011 bereits geschrieben, dass Autonomy nur 1 aber nicht 10 Milliarden Wert ist – also deutlich überbezahlt und die Abschreibung von 8.8 Milliarden entspricht der Differenz zum damaligen realen Wert: http://bit.ly/Wjpynd (siehe oben).
    Auch auf XING in der Gruppe "Information & Document Management" gab es damals schon kritische Rückmeldungen: http://bit.ly/T3mPNF
    Details zum Debakel von HP im SPIEGELonline vom 20.11.2012  http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/hohe-abschreibung-bei-hewlett-packard-aktie-stuerzt-ab-a-868335.html
    Nun geht es mit dem Kurs in den Keller. Und es wird nach Schuldigen gerufen – Lynch, Apotheker, Fiorina. Da wird es noch einiges an "Hauen-und-Stechen" geben. Die Leidtragenden werden die Mitarbeiter sein.

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    • HP & Autonomy: ein paar Meinungen, ein paar Hintergründe
      21. November 2012 um 19:17
      Permalink

      Sammeln wir doch noch ein paar Stimmen zum Thema:

      Business-Insider: Hier gibt es ein paar gute Hintergrundinformationen und Zahlen. http://www.businessinsider.com/heres-how-i-knew-autonomy-was-a-fraud-2012-11 Auf diesen Zahlen basierte auch unsere PROJECT CONSULT Annahme (http://bit.ly/Wjpynd), dass Autonomy gemessen an Umsatz und Revenues ca. 10fach überbezahlt ist … denn die Zahlen offenbaren noch nicht einmal alles, was damals in der Branche kursierte, nach dem Lynch schon versucht hatte, das Unternehmen an Oracle zu verkaufen, vom Führungsstil ganz zu schweigen.

       

      Leo Apotheker nahm am 21.11. zu den "Bilanzierungsunregelmäßigkeiten" Stellung:  http://www.presseportal.de/meldung/2368070/st, bereits am 20.11. war Mike Lynch im Interview mit WJS gegen die Vorwüfe von HP "in die Vollen" gegangen – er wirft HP Miss-Management vor (und stellt sich selbst als "unschuldig" dar) http://blogs.wsj.com/digits/2012/11/20/qa-with-autonomy-founder-mike-lynch-on-h-p-allegations/

       

      David Roe schreibt am 21.11.2012 auf CMSWire: "What we do know is that HP is in trouble and that the troubles were there before Autonomy. What we don’t know is where this is all going to go." http://smg.io/Y3je8A

       

      Und dann sind da noch die Kommentare bei Bloomberg, dass HP erstmal nachweisen muss, wie denn die Bücher von Autonomy "cooked" wurden: http://www.bloomberg.com/news/2012-11-20/hewlett-packard-has-way-more-explaining-to-do.html  Am Interessantesten sind dort aber die Kommentare, dass der Autor Joanthan Weil keine Ahnung von "Goodwill" habe.

       

      Oder aber Michael Liedtke am 20.11. auf wftv  http://www.wftv.com/news/ap/labor/hps-autonomy-deal-highlights-pattern-of-bad-ideas/nTBzc/ und Kommentare dazu z.B. von Alan Pelz-Sharpe "Something smelled bad about it from the beginning," said 451 Research analyst Alan Pelz-Sharpe, who has been following Autonomy since the company went public in 1998. Autonomy, which was based in Cambridge, England, had been known for a "dog-eat-dog" sales culture that drove employees to do whatever it took to hit their quarterly targets or risk incurring the wrath of CEO Mike Lynch, Pelz-Sharpe said. "It was never a happy company," the analyst said. "It was always a place where people were frightened to speak out."

       

      Einen ähnlichen Eindruck hatten wir mit unserer Einschätzung im August 2011: http://bit.ly/Wjpynd .

       

      Aber man darf nicht übersehen, dass entweder HP bei der Due Diligence Autonomy falsch eingeschätzt hat – Management-Fehler – oder dass HP Autonomy "auf Grund gesetzt" hat – Management Fehler – oder dass HP überhaupt keine Strategie mehr hatte, weder für Hardware, noch für Software, noch für ECM-Software – Management Fehler.
      Letztlich fällt alles auf HP selbst zurück. Und auch bei anderen Acquisitionen – Palm, Digital, Compaq, EDS etc., hat HP kein gutes Händchen bewiesen. Es wird sich noch zeigen, ob Autonomy wirklich der alleinige Grund für das Finanzdebakel war – aber sinnvoll war die Acquisition nie, und überbezahlt, allemal.

      Antwort

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