CEBIT 2018
14. Juni 2018 06:15 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
Es sollte ein Neuanfang werden – die CEBIT 2018. Am Besuchstag, dem 13.6.2018, schien die CEBIT dank stabilem Wetter auch recht bevölkert.
Zumindest draußen auf dem d!campus und bei einigen zentral gelegenen Ständen. In den Hallen jedoch vielfach gähnende Leere.
Ein krasser Widerspruch, der auch einen Zielgruppenkonflikt verdeutlicht. Draußen auf jugendlich mit Musik und Foodtrucks getrimmt, in den Hallen dann meistens nur die üblichen Stände (aus dem Lager vom letzten CeBIT-Jahr …) mit herumstehenden Vertrieblern. Auf den deutlich breiteren Gängen und der sehr deutlich sichtbar verminderter Ausstellerzahl war vielfach kaum etwas los. In den kleinen Ausstellerboxen der asiatischen Hardware-Dealer möchte man auch nicht die ganze Zeit rumgesessen haben. Die meisten Aussteller haben das neue Konzept der CEBIT nicht aufgegriffen. So war es weder für die angepeilten Digital Natives noch für die Business-Kunden richtig interessant. Zwei Welten, die sich nicht so richtig trafen. Allein der Hannover Messe daraus einen Strick drehen zu wollen, gilt nicht. Es wäre mehr Engagement und Kreativität von den Ausstellern notwendig gewesen.
Und man musste sich etwas umorientieren. Der gewohnte Ablaufplan beginnend in den Hallen im Norden gestaltete sich durch die Verlagerung der Veranstaltung in Richtung 9-16, 27 & Co. ganz anders. Die Anbieter zu Themen rund um „ECM“ fanden sich hauptsächlich in Halle 14 und 15. IBM hatte sich in zwei Pavillons unter dem Holzdach gut platziert. Aber immerhin hat der Platz mit dem schönen Holzdach aus den Zeiten der Weltausstellung mit dem d!campus ein optimales Zentrum für die Veranstaltung geboten.
Eigentlich wollte PROJECT CONSULT nicht zur Sommer-Party in Hannover sein, aber es gab dennoch 3 Anlässe, doch zur CeBIT zu fahren: eine Einladung ins IBM@CEBIT-TV-Studio für ein Interview, eine aktuelle Recherche zum tatsächlichen Einsatz von Siegeln und Zeitstempeln nach eIDAS in Deutschland, und natürlich wieder nachsehen, wer aus der ehemaligen ECM-Branche sich auf die neue CEBIT gewagt hat.
Im TV-Interview mit Karin Maurer, IBM Wien, ging es um die Auswirkungen der DSGVO. Allgemein bekannt ist, dass die zwei Jahre Übergangsfrist bei den Meisten ohne Maßnahmen verstrichen ist und nun an einigen Stellen „Panik“ ausbricht. Es geht auch nicht um eine einmalige Maßnahme mit Erstellung einiger Dokumentationen sondern um das ständige Umsetzen und Nachhalten der Maßnahmen. Angesichts der Komplexität und ständigen Veränderungen ist nur durch Selbstdokumentation der Systeme und künstliche Intelligenz kontinuierlich umzusetzen. Das Gespräch unter Moderation von Gunnar Sohn kann hier XXX angesehen werden.
Die eIDAS-Richtlinie gilt seit 1.7.2017 und ermöglicht Unternehmen viele Alternativen bei Identitätsnachweisen, Authentizität von Dokumenten und nachweissicherer Datenverarbeitung. Studien der Bundesdruckerei und der Fraunhofer Gesellschaft zeigen jedoch, dass die neuen Möglichkeiten wie z.B. Siegel und Zeitstempel noch fast garnicht in Deutschland eingesetzt werden. Bei nutzlosen Verfahren wie dem Signieren beim Scannen in der öffentlichen Verwaltung wird immer noch auf die kartenbasierte, personenbezogene QES deutscher Prägung gesetzt. Durch Siegel und Zeitstempel lassen sich die teil-manuellen Verfahren automatisieren, alle elektronischen Informationen mit gleicher Qualität absichern und Unsäglichkeiten wie das Nachsignieren vermeiden. Automatisierte Prozesse, auch mit Fernsignaturen, lassen sich zusätzlich durch Audit-Trails mit einfachem Inhouse-Blockchain-Verfahren mit Zeitstempeln zusätzlich absichern. Anbieter haben solche Lösungen im Portfolio, allerdings fehlt in der öffentlichen Verwaltung und bei Sozialversicherungsträgern aktuell noch der Wille zur Modernisierung.
Viele der traditionellen ECM-Anbieter (eigentlich reden alle noch von Dokumentenmanagement – ECM, EIM, Content Services, IIM, Digital Workplace … ist neben den traditionellen deutschsprachigen Begriffen auf der Messe nur auf Wänden mit Schlagworten vertreten) waren da, noch mehr andere nicht. Unternehmen wie Windream, Amagno, M-Files oder Docuware folgten hauptsächlich dem traditionellen „Halle-Stand-Konzept“. Einige hatten sich wieder auf den Partner-Ständen von BITKOM und VOI gesammelt – aber deutlich weniger als in der Vergangenheit. Andere wieder haben positiv das neue Konzept der CEBIT aufgegriffen: Easy mit einer Bar auf der Plaza, Ceyoniq mit einem Arvato-Scan-Truck. D.velop hatte auf einen Stand verzichtet, aber ihre jährliche Konferenzveranstaltung auf die CeBIT gelegt. Andere Anbieter, die sonst immer groß auf der CEBIT waren, fehlten. Dies ist besonders auch bei den ganz großen Software- und IT-Konzernen sichtbar, die mit den Themen rund um ECM überhaupt nicht präsent waren (wichtige fehlten natürlich auch gleich ganz). Wenn man so weiter macht, kommt die „Branche“ nicht mehr auf einen „grünen Zweig“, will heißen, keinerlei Visibilität und damit verbunden kaum Wahrnehmung und Bedeutung. Information Management ist angesichts der Informationsflut unerlässlich, aber die Bedeutung der Lösungen für Management und Governance von Information kommt nicht zum Tragen.
Das ist nicht nur schade, das ist ein Drama!
Und es wäre auch schade, wenn es die CeBIT zukünftig nicht mehr gäbe. Ein Drama wäre es allerdings nicht.