Lovink: Das Internet wird bald verschwinden

31. Dezember 2022 11:57 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Dr. Ulrich Kampffmeyer
2017
Foto: Martina von Kann

Zum Jahresende noch einmal etwas Provokantes. Ein guter Bekannter schrieb mir auf (Un-)Social-Media, dass das Internet bald ganz verschwinden werde und verlinkte auch einen Artikel: „Das Internet wird bald verschwinden“: Experte prophezeit das Ende des World Wide Web„.

Der bekannte Computerforscher Geert Lovink, jetzt Professor an der University of Applied Science (AUAS) in Amsterdam: „Das Internet steuert auf einen „Point of no Return“ zu, weil seine Nachteile zu groß werden“ und prophezeit das Ende des World Wide Web. Er wird zitiert mit „In den letzten zehn Jahren ist das Internet schnell vom Status, die Lösung zu sein zu einem Teil des Problems geworden – unfähig, seine eigenen zerstörerischen Trends umzukehren“. Lovink ist einer der frühen Vertreter der Netzkritik und beschäftigte sich unter anderem mit der Rolle von Suchmaschinen im Alltag, Social-Media-Monopolen, Fake-News, die Toxizität viraler Memes und Online-Sucht.

Die Beobachtung, dass das Internet die Probleme der Welt beschleunigt und zunehmend problematisch wird, erreicht Konsensstatus“. Lovink konstatiert in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Amsterdam, dass die Kontrolle immer ausgefeilter werde: „Unsere vermeintliche Freiheit der Meinungsäußerung gibt es in Wirklichkeit nicht mehr.“ Dafür gibt es viele Beispiele: Zu politischen Themen darf sich in China nur noch äußern, wer eine offizielle Lizenz dazu hat. In den Vereinigten Staaten muss sämtliche Social-Media-Profile offenlegen, wer ein Visum beantragen will. Diese ausgeklügelte Kontrolle werde auch in Europa bald so allgegenwärtig sein, dass die Menschen sich vom Internet abwenden werden. … Das Internet ist nicht mehr zu repaprieren.“ „Das Ende der Technostalgie: die Schönheit liegt im Zusammenbruch.“ schreibt er in seiner Arbeit „Extinction Internet„. Er fordert sich den autoritären Regierungen und den Technologie-Milliardären zu verweigern. Seine eigen Social-Media-Accounts habe er bereits vor einem Jahrzehnt gelöscht. „Ich denke, es ist möglich, dass wir uns davon entwöhnen. Es könnten unterschiedliche Softwares oder andere Konstrukte entstehen, die uns weniger abhängig machen. Indem wir das Ende einfordern, wird Energie frei, um Neues zu schaffen.“.

Ich bin nicht seiner Meinung.

Das Internet bleibt bestehen. Es ist die Grundlage unserer Kommunikation und unserer Wirtschaft. Die Cloud gibt es nicht ohne Internet und sie wird die zukünftige Anwendungslandschaft in Untenrehmen und bei privaten Anwendern dominieren. Bestimmte Effekte und Anwendungen werden verschwinden. Ich glaube daher auch, dass Lovink bestimmte Effekte des Web meint und nicht das Internet generell. Hierzu gehören mittelfristig die derzeitigen „Social-Media“, genauer, „Un-Social-Media“. Sie werden ersetzt durch Regionalisierung und Fokussierung auf bestimmte Themen, zu denen sich Communities bilden. Verbunden mit weiterer Funktionalität werden solche Communities wachsen und die allgemeinen Plattformen ersetzen, z.B. im Sport Canua, Komoot und andere, die zukünftig auch mehr Social-Media- und Collaboration-Funktionalität anbieten werden. Zum Thema Communities gibt es einen Kommentar bei uns im Blog: https://www.project-consult.com/news/xing-stellt-die-gruppen-ein/#comment-2429, der auch erläutert, warum wir uns von Social Media zurückziehen.

Hinzu kommt die regionale Abschottung im Internet. Bedingt durch Sprache oder autoritäre Regime sieht man bereits heute bei einer Suche nur noch einen ganz kleinen Ausschnitt des Internets. In der Entwicklung des Web sehen wir einen großen Hype (https://www.project-consult.de/in_der_diskussion/1-2-3-und-so-weiter/). Hinzu kommt das „Große Vergessen“ des Internets – zahllose Inhalte sind schon auf immer entschwunden. Das Internet wird sich dennoch weiter entwickeln und neue Phänomene hervorbringen. Die Ära von Social Media aber neigt sich dem Ende zu.

PROJECT CONSULT Unternehmensberatung hat ihre Social-Media-Accounts stillgelegt, z.B. Twitter ganz gelöscht. Auf Facebook, Linkedin, XING, Pinterest, Slideshare, Scribd & Co. posten wir nicht mehr. Die dortigen Profile sind mit heutigem Datum stillgelegt.

Letztlich ist aber alles eine Frage der Zeitskala. Das Internet wird die nächsten Jahrzehnte weiterbestehen – was aber in 100 oder 1000 oder 10000 Jahren davon übrig ist, ist eine andere Frage. Denkt man in längeren Zeitläufen dann wird sich auch Lovinks Postulat bewahrheiten.

Was ist Ihre Meinung?
Ist das Ende des Internets schon in Sicht?


Translation by Deepl.com


Lovink: The internet will soon disappear

At the end of the year, once again something provocative. A good acquaintance wrote to me on (in)social media that the Internet will soon disappear completely and also linked to an article: „“The Internet will soon disappear“: Expert predicts the end of the World Wide Web“.

Well-known computer researcher Geert Lovink, now a professor at the University of Applied Science (AUAS) in Amsterdam: „The Internet is heading for a point of no return because its disadvantages are becoming too great“ and predicts the end of the World Wide Web. He is quoted as saying „In the last ten years, the Internet has rapidly gone from being the solution to being part of the problem – unable to reverse its own destructive trends“. Lovink is one of the early proponents of net criticism and was concerned with the role of search engines in everyday life, social media monopolies, fake news, the toxicity of viral memes and online addiction, among other things.

„The observation that the internet is accelerating the world’s problems and becoming increasingly problematic is reaching consensus status“. Lovink states in his inaugural lecture at the University of Amsterdam that control is becoming more and more sophisticated: „Our supposed freedom of expression no longer exists in reality.“ There are many examples of this: In China, only those who have an official licence to do so are allowed to express themselves on political issues. In the United States, anyone who wants to apply for a visa must disclose all their social media profiles. This sophisticated control will soon be so omnipresent in Europe, too, that people will turn away from the internet. … The internet is no longer repapable.“ „The end of technostalgia: beauty lies in collapse.“ he writes in his piece „Extinction Internet“. He calls for refusing authoritarian governments and technology billionaires. He deleted his own social media accounts a decade ago, he says. „I think it is possible for us to wean ourselves off it. There could be different softwares or other constructs that make us less dependent. By claiming the end, energy is freed up to create something new.“

I do not agree with him.

The internet is here to stay. It is the foundation of our communication and our economy. The cloud does not exist without the internet and it will dominate the future application landscape in sub-frames and among private users. Certain effects and applications will disappear. I therefore also believe that Lovink means certain effects of the web and not the internet in general. In the medium term, these include the current „social media“, or more precisely, „un-social media“. They will be replaced by regionalisation and a focus on certain topics, for which communities will be formed. Combined with further functionality, such communities will grow and replace the general platforms, e.g. in sports Canua, Komoot and others, which will also offer more social media and collaboration functionality in the future. There is a commentary on the topic of communities on our blog: https://www.project-consult.com/news/xing-stellt-die-gruppen-ein/#comment-2429, which also explains why we are withdrawing from social media.

In addition, there is the regional compartmentalisation on the internet. Due to language or authoritarian regimes, you can only see a very small section of the internet when you search. In the development of the web we see a great hype (https://www.project-consult.de/in_der_diskussion/1-2-3-und-so-weiter/). In addition, there is the „Great Forgetting“ of the internet – countless contents have already disappeared forever. Nevertheless, the internet will continue to develop and bring forth new phenomena. But the era of social media is coming to an end.

PROJECT CONSULT Unternehmensberatung has shut down its social media accounts, e.g. deleted the Twitter accounts completely. We no longer post on Facebook, Linkedin, XING, Pinterest, Slideshare, Scribd & Co. The profiles there have been shut down as of today.

Ultimately, however, it’s all a question of time scale. The internet will continue to exist for the next decades – but what will be left of it in 100 or 1000 or 10,000 years is another question. If you think in longer time frames, Lovink’s postulate will also come true.

What is your opinion?
Is the end of the internet already in sight?

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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