Dokumentenmanagement im Mittelstand

30. November 2012 10:57 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


In der Computerwoche Mittelstand haben wir zum Thema "Vorteil für den Mittelstand: Digitale Dokumente beschleunigen Prozesse" einen Artikel veröffentlicht. Er soll deutlich machen, dass elektronisches Dokumentenmanagement auch im Mittelstand ein wichtiges Thema sein muss und dass man dort hat man auf Grund geringerer Größe und Komplexität sogar eher die Chance hat, ganzheitliche Lösungen einzuführen als bei einem Konzern.

Wesentliche Thesen waren, dass

  • im Mittelstand Nachholbedarf besteht,
  • der Mittelstand im Prinzip bei der EInführung eines durchgängigen elektronischen Dokumentenmanagement im Vorteil ist,
  • man zwischen den standardisierbaren Anforderungen, die es in jedem Unternehmen gibt, und den inviduellen aus der jeweiligen Geschäftstätigkeit unterscheiden muss, und
  • zukünftig auch Standardprodukte und die Cloud einfache Möglichkeiten dem Mittelstand bieten.

Zum (gekürzten) Artikel in der Computerwoche (die Langversion findet sich hier als PDF http://bit.ly/V8cqjz und in den XING-Themen http://bit.ly/Tc4Bty) hat sich auf XING eine Diskussion entwickelt:

Auf XING wurde unter anderem in Frage gestellt, dass Dokumentenmanagement-Projekte vom Mittelstand effektiv durchgeführt werden können, da das Thema zu komplex sei:
"Sie weisen (fairerweise 😉 darauf hin, dass elektronisches Dokumenten-Management komplex ist. Ich persönlich finde aber, dass beim Lesen der Eindruck entsteht auch kleine Mittelständler können und müssen das Thema jetzt angehen und wuppen. Klar, Lizenzkosten müssen heute kein Hemmschuh mehr sein, aber Kosten für Dienstleitungen Beratung, Implementierung und Betrieb können durchaus noch erheblich sein – daran hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Darüber sollten sich Mittelständler im Klaren sein. Eine vermeintlich kleine Disziplin wie Revisionssicherheit allein kann einen schnell erschlagen."

Die Meinung des gleichen Autors, dass DMS-Projekte reine IT-Projekte sind und nur agile Methoden einen guten Ansatz bieten, teilen wir nicht:
"aus meiner Sicht sind DMS Projekte von Natur aus erstmal IT Projekte wie alle anderen. Probleme mit Kopfmonopolen aller Art gibt es wo immer jemand seinen Arbeitsplatz sichern will  indem er seine Arbeit verschleiert. Halbwegs modernes Projekt-Vorgehen (wie Scrum oder Agile allgemein) sind genau mit dem Ziel dieses und die anderen Top-Probleme in IT Projekten zu minimieren entwickelt wurden und funktionieren richtig umgesetzt auch besser als Old-School Wasserfall-, V-Modell oder was auch immer. Wenn DMS Projekte ein spezielles Vorgehen sinnvoll machen wäre ich dankbar, wenn jemand das mal kurz erklären könnte."

Andere Beitragende wiesen auf die organisatorischen Veränderungen hin:
"Mmmmh, weil etwas komplex ist, soll ich mich als Mittelständler besser raushalten? Ich meine, nicht weniger komplex sind 80 unterschiedliche Versionen einer Exceldatei in 150 Benutzerordnern, von der keiner mehr weiß, welche noch Relevanz hat, welche Version "in the wild", also beim Kunden ist,  usw.! Das Problem ist weder die, tatsächlich vorhande, Komplexität, noch ist es die Investition einschließlich der Folgekosten (bei konsequenter Einführung ist der ROI phantastisch!). Die Probleme sind: – die Weigerung der meisten Beteiligten, so ein Projekt konsequent umzusetzen. – Zu zu geben, das die sogenannten unstrukturierten Daten längst jedem Kontrollversuch "entwachsen" sind und – das vermeintlich unersetzlich machende "Herrtschaftswissen" zu teilen! Immer wenn man in Informations-/Wissensprojekte einsteigt, trifft man auf diese Widerstände!"

und    
"Durch eine ganzheitliche Herangehensweise können diese Hindernisse für eine erfolgreiche, unternehmensweite Zusammenarbeit aus dem Weg geschafft werden. Doch genau dies führt zu der angesprochenen Problemstellung, dass eben auch Kosten für Dienstleistung, Beratung und Implementierung entstehen, die einfach mit bedacht werden müssen. DMS ist eben kein reines IT-Thema, denn ohne die Akzeptanz des Mitarbeiters hat die schönste Software keinen Nutzen."

und    
"Natürlich gibt es keine "one size fits all" Methode für IT Projekte und das Vorgehen sollte zum jeweiligen Projekt und zum Kunden passen. Der Löwenanteil von IT Projekten liegt aber eben einfach in der Komfort-Zone (s. Stacey Matrix) der agilen Methoden."

Unsere Antworten hierzu:      
(1) Dokumentenmanagement muss nicht komplex sein. Einfachere Systeme für Mittelständler (vom kleinen bis gehobenen) , die Dokumentenmanagement-Grundfunktionalität bieten, sind auch einfach zu installieren, einfach zu betreiben oder vermehrt einfach aus der Cloud nutzbar.
(2) Gewinnen im Kampf um den Kunden im Mittelstand werden diejenigen Anbieter, die Branchen- und Fachlösungen anbieten, die entweder fertig vorkonfiguriert und einfachst anpassbar sind, oder aber in die fachliche Definitionen, Ordnungsschema usw. einfach per Import hineingeladen werden können.
(3) Dokumentenmanagement-Projekte sind vor allem Organisationsprojekte. Organisatorische Veränderungen lassen sich in einer kleineren, übersichtlicheren, persönlicheren Organisation einfacher, schneller und mit geringerer Komplexität als in einem Großunternehmen umsetzen. Technik kann nur unterstützen und die meisten ECM-Produkte sind matur in Bezug auf Funktionalität und Stabilität.
(4) In Bezug auf den Einsatz von Methoden, gerade beim Projektmanagement und bei den Strategien zur Einführung von Dokumenten-Management-Lösungen,  muss der Grundsatz der Angemessenheit gelten – und nicht "Methode um der Methode willen". Ein Projektplan ebenso wie das Controlling-Werkzeug kann auch eine simple Spreadsheet-Tabelle sein. Projekte müssen nicht per se immer "groß" sein.
(5) Bei der Planung kommt es darauf an, dass eine passende Lösung gewählt wird und dass man nicht versucht Probleme mit Dokumenten-Management-Software lösen zu wollen, die keine Dokumenten-Management-Probleme sind."

und      
"Dokumentenmanagement-Projekte sind in vielfacher Hinsicht "etwas"  anders als "normale" IT-Projekte. Dies ist z.B. auch grundsätzliche Veränderungen in den Prozessen (Wegnahme des gewohnten Papierordners als Arbeitsmittel), Business Process Management (Steuerung, Kontrolle und Auswertung von Arbeitsprozessen und Compliance-Anforderungen), langfristige Bindung an elektronische Medien bei der Archivierung (und natürlich an Anbieter und Produkte) und viele andere Faktoren. Innerhalb der Dokumentenmanagement-Branche ist dies bekannt, wird aber häufig in der Vorbereitungsphase für Projekte vernachlässigt.
Speziell für Organisations-(und IT)-Projekte dieser Art kann man gut auf die offene Mike2-Methodik zurückgreifen (openmethodology.org), die auch zum Beispiel in Dokumentenmanagement-Zertifizierungs-Lehrgängen der AIIM international als Basis verwendet wird. Für die Vorbereitung und Zielfindung kann z.B. "Dragon Dreaming" geeignet sein.
Wichtiger noch als das Projektmanagement in Dokumentenmanagement-Projekten ist das Change Management. Projektmanagement unterstützt eher operativ beim Durchführen, Change Management unterstützt den erforderlichen Wandel in der Organisation. Daher ist die bessere Interpretation des Akronyms ECM auch Enterprise CHANGE Management."

und    
"Die Effiziente Nutzung von elektronischem Dokumentenmanagement erfordert  bei noch in "Papier-Dimensionen" denkenden Organisationen tiefgreifende Veränderungen. Diese lassen sich nicht pauschal fassen, da die Form, die aktuellen Arbeitsprozesse, die kommunikative und soziale Interaktion, der Aufbau und die Unternehmenskultur von sehr vielen Faktoren abhängen und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind. Deshalb sind auch Vergleiche innerhalb einer Branche zwischen direkten, gleichgroßen und nach außen hin gleich arbeitenden Marktbegleitern  nicht 1:1 von dem Einen auf den Anderen übertragbar.
Dokumentenmanagement-Projekte sind vorrangig Organisationsprojekte und daher fallen auch die größten Aufwände im organisatorischen Umfeld an. Viele davon sind sogenannte "Eh-da"-Kosten", besonders beim Personal. Für jedes Projekt ist meines Erachtens daher nicht nur zu prüfen, was durch DMS besser wird oder welche Risiken man bei der Einführung eingeht sondern auch zu evaluieren, was passiert, wenn man nicht konsequent auf elektronische Kommunikation und elektronisches Informationsmanagement setzt. Der Einsatz kann über die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Zukunft des Unternehmens entscheiden.
Auch und gerade im Mittelstand, weil hier noch mehr Nachholbedarf besteht und wer vorne dran ist, hat bessere Chancen schneller, effizienter und kundenfreundlicher Dienstleistungen und Produkte an den Markt zu bringen. Dokumentenmanagement ist hier ein wesentlicher Bausein im Informationsmanagement, da es hilft, den Medienbruch zu überwinden und Informationen komfortabel unabhängig von Zeit, Ort, Medium, Device und Erzeuger im Sachzusammenhang bereitzustellen."

Die vollständige Diskussion: http://bit.ly/Tc4Bty
 

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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