Automatisierung von Klassifikationsschema & eAkten

12. Oktober 2022 11:45 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Dr. Ulrich Kampffmeyer, 2017 im BCH Business Club Hamburg,
Foto von Martina von Kann.

Er gilt als Mentor der Branche für Information Management & Information Governance in Europa.


Die Akte

Die Akte ist in deutschen Amtsstuben so etwas wie der „heilige Gral“. Sie fasst Dokumente und Vorgänge wohl strukturiert zusammen. Sie hat in der Regel eine interne Aufbauordnung, die chronologisch oder thematisch gegliedert ist. Laschen, Register oder Zwischenblätter sorgen für die Unterteilung. Vorn findet sich häufig ein Inhaltsverzeichnis oder auch ein Deckblatt, das mit seitlichen Laschen auf die Hauptabschnitte verweist. Wichtig ist ein solches Deckblatt oder Inhaltsverzeichnis auch in Gestalt eines Eingangs- oder Nutzungsverzeichnisses, das festhält, wann welche Bestandteile hinzugekommen sind oder geändert wurden und auch die Bearbeitungsverfügungen. Dies wird auch gern als Aktendeckel oder Aktenregister bezeichnet. Dieses Vorblatt wird auch gern Rotulus in Spezialistenkreisen genannt. Es beschreibt die Inhalte und den Aktenbetreff. Neben strukturierten Teilen finden sich häufig auch Handzettel, Notizen, Gelbe Zettel, Einhänger für Originale und andere Inhalte in einer physischen Akte, die aber dort eigentlich nichts verloren haben. Der Rücken des Aktenordners oder eines anderen Ordnungsmittels ist in der Regel mit dem Aktentitel und dem Aktenzeichen versehen, um ihn während der Bearbeitung aber auch im Archiv lokalisieren und nutzen zu können.

Grundsätzlich kann man zwischen Fall-, Sach- und sonstigen Akten unterscheiden. Sie haben jeweils unterschiedliche Anforderungen an Ordnungssystematik und Metadaten.

Eine Akte entsteht eigentlich erst im Prozess „zu den Akten, zdA“, wenn ein Vorgang abgeschlossen ist und seine Dokumentation ins Archiv, also aus der aktiven Nutzung in den gesicherten, abgeschlossenen Zustand unter der Herrschaft von Registrar und Archivar, wandert.

Die Akte ist formal nicht gleichbedeutend mit dem Aktenordner, dem System, das in Deutschland sprichwörtlich mit dem Produkt „Leitz-Ordner“ verwendet wird. Akten können auch als Hängeregister, Mappen, Schnellhefter, Karton oder ähnlich physisch ausgebildet sein. Jede dieser Akten, auch schon mal in mehreren Bänden, sprich mehreren physischen Aktenordnern, ist in der Regel durch Aktentitel, Aktenzeichen, Jahrgang, Band-Nummer, Vertraulichkeitsvermerk und/oder andere Attribute zur Identifikation versehen. Der Begriff Aktenzeichen wird hauptsächlich in der öffentlichen Verwaltung benutzt. Das Aktenzeichen leitet sich aus dem Aktenplan zuzüglich individueller Identifikationsattribute ab.

Der Aktenplan

Die Akte selbst ist in ein übergeordnetes Ordnungssystem eingebettet – den Aktenplan. Er bestimmt die Zuordnung der Akte zu Geschäftsvorfällen, Abteilungen, Sachgebieten oder anderen Kriterien. Dies ist häufig von der Art einer Akte abhängig, also ob es sich um eine Fallakte, Sachakte, Spezialakte, Nebenakte, früher Adhibenda, einen Anlagenband oder Einzelvermerk handelt. Das Führen von Akten und das Verwalten von Akten sind erlernbare Wissenschaften mit speziellen Berufsbildern – einer im Erstellungs- und Nutzungsprozess der oder die Sachbearbeiterin, beim Erschließen und Verwalten der oder die Archivarin. Sie benutzen beide den Aktenplan und Findbücher für die Erschließung und das Wiederfinden von Akten.

Der Aktenplan selbst ist eine eindimensionale hierarchische Struktur. Er stellt sich meistens als eine Baumstruktur dar. Er kann beliebig viele Ebenen enthalten, wobei es aber ab Ebene 5 unübersichtlich wird und ab Ebene 7 eigentlich keine Nutzung mehr erfolgt. Als Root, Wurzel des Aktenplans, können organisatorische Einheiten, aber auch Sachgebiete dienen. Häufig wird organisatorisches und sachliches vermischt, was den Grundlagen eines sauberen Aktenplans widerspricht. Der Aktenplan war in Zeiten der reinen Papierverwaltung ein nützliches, altgedientes Mittel der Informationsorganisation. Mehrfachzuordnungen, komplexe übergreifende Vorgänge, die Wiederaufnahme von Verfahren, die Offenlegung von Inhalten, Berechtigungen für die Einsichtnahme und andere Veränderungen führen schnell an die Grenzen eines monostrukturierten Aktenplans. Dies gilt besonders, wenn er nicht ständig aktualisiert und zeitgemäß gehalten wird – wobei man als „Klotz am Bein“ immer die bisherige Verwendung mitschleppt. Die Abbildung des Aktenplans erfolgt meistens durch ein dekadisches Nummernsystem, das den einzelnen Ebenen und Begriffen zugeordnet ist. Anfang wäre „0“oder „00“, Ende ist meistens dann „99“. Manchmal ist dieses auch noch mit Buchstaben kombiniert. Doppelaktenzeichen für eine Akte sind keine Seltenheit mehr.

Um das Thema griffiger zu bekommen, beginnen wir mit Beispielen aus der Öffentlichen Verwaltung und der Freien Wirtschaft. Nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Bundesverwaltung (entsprechend § 11 Abs. 2 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) müssen die Aktenpläne von Bundesbehörden öffentlich zugänglich sein):

>Zitat aus Wikipedia> Die Aktenpläne der deutschen Bundesbehörden sind meist vier- oder fünfstufig in:

  • Hauptgruppen oder Obergruppen (z. B. S für Bundes- und Landessteuern, P für Personal. H für Haushalt)
    • Gruppen (z. B. S 0 Abgabenordnung 1977; Steuerberatungsrecht)
      • Mittelgruppen (z. B. S 01 Einleitende Vorschriften; Steuerschuldrecht)
        • Untergruppen (z. B. S 010 Anwendungsbereich)

unterteilt.

Die daraus resultierenden Aktenzeichen bestehen in der Regel aus der Obergruppe und der Aktennummer (z. B. S 0100 Anwendungsbereich § 1 AO). Die letzte Nummer des Aktenzeichens wird teilweise als Ordnungsnummer bezeichnet. Besteht die Mittelgruppe aus mehreren Teilen, werden diese als 1., 2.,… Ableitung bezeichnet.“ </Zitat>

Im Beispiel ist die Nummernnotation sogar teils einzahlig, was bei Erweiterungen jenseits der „9“ zu Problemen führt: besser 01.01.01 statt 1.1.1. Das dekadische System bietet vielfach ausreichend Platz für Ergänzungen. Das Bundesarchiv gibt Hinweise zur Bildung von Aktenplänen. Dort gibt es dann noch eine neue Begriffswelt mit Aktenverzeichnissen, Betreffseinheiten, Schriftgut, Stofflichkeit, Aktenplankennzeichen und viele andere mehr – spezieller Behörden-Sprachgebrauch. Das Dokument beschreibt die Grundlagen eines Aktenplans in der öffentlichen Verwaltung wie folgt:

<Zitat>Der Aktenplan wird vorausschauend aufgestellt; er orientiert sich an den behördlichen
Aufgaben (und nicht an der Aufbauorganisation).

  • Für die Stoffgliederung werden Begriffe verwendet, die dem behördlichen Sprachgebrauch und nicht einem Thesaurus oder Schlagwortverzeichnis entnommen sind.
  • Die Begriffe werden im Aktenplan in einem hierarchischen System dargestellt, d.h. gegliedert und gereiht.
  • Jedem Begriff (Inhaltsangabe) des Aktenplans ist ein Kennzeichen (Aktenplankennzeichen) zugeordnet, das den ersten Teil des Aktenzeichens bildet.
  • Der Aktenplan bildet den Rahmen für die Ordnung der Sachakten im Aktenverzeichnis, verzeichnet aber keine Akten. Er eignet sich nur bedingt für die Ordnung von sog. Fallakten (= verfahrensgleiche, sachlich gleichartige Einzelsachakten, die in großer Zahl anfallen und sich nur durch ein formales Merkmal (z.B. Name, Projektnummer) unterscheiden).“ </Zitat>

Nehmen wir ein anderes Beispiel aus der freien Wirtschaft. Hier sprechen wir zur Unterscheidung von den Aktenzeichen von „Kategorien“, hier die Hauptkategorie „Finanzen“ mit vier Ebenen:

  • Hauptkategorie: Finanzen
    • Unterkategorie: Jahresabschlüsse
      • Unterkategorie: Jahresabschluss 2020
        • Dokumente: Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang
    • Unterkategorie: Steuern
      • Unterkategorie: Steuererklärung 2021
        • Dokumente: Steuererklärung, Belege, Nachweise

Basierend auf der Graphen-Theorie-Terminologie ist die Architektur eines hierarchischen Bäumen wie folgt zu beschreiben:

  • Wurzelknoten
    Der oberste Knoten (Root) in einem hierarchischen Baum, der keinen Vorgänger hat, d.h. hier beginnt der Aktenplan mit seiner obersten Ebene. Ein Aktenplan kann für die ganze Organisation (kann sehr tief und komplex werden) oder für einzelne Sachgebiete und Organisationseinheiten gelten. Die Root kann organisationsbedingt, sachgebietsbedingt oder anders definiert sein. Sie bestimmt den Inhalt aller weiteren Knoten, die nicht anderen Themen zugeordnet sein dürfen.
  • Elternknoten
    Knoten, von denen ein oder mehrere Kinderknoten abhängen. Die Anzahl von Kinderknoten sollte dabei immer größer 1 sein. Ein Wurzelknoten hat immer mindestens zwei Elternknoten. Die Menge verfügbarer Eltern-Knoten ist dabei häufig durch die Struktur des Numerierungsschema begrenzt. Meistens haben Elternknoten eine zweistellige dekadische Kennzeichnung.
  • Kinderknoten
    Knoten, die direkt unterhalb eines anderen Knotens angeordnet sind und von diesem abhängig sind. Bei einem hierarchischen Baum ist dies eine 1:1 Elter-Kind-Beziehung (PCR Parent-Child-Relationship). Kinderknoten sollten eine zweistellige Nummerierungskennzeichnung haben, um bei einstelligen Nummerierungen nicht zu schnell an der Begrenzung des Zahlenraums zu enden.
  • Blattknoten
    Knoten, die keine Kinderknoten haben und somit am Ende einer Kette von Knotenelementen stehen. Sie bilden die unterste Ebene eines Aktenplans. Diese sollte möglichst bei allen Ästen gleich tief sein. Im Records Management ist geregelt, ab welcher Ebene Dokumente in die Struktur eingeordnet sein dürfen. In einem strengen hierarchischen Aktenplan sind dies immer Blattknoten. Blattknoten sind immer nur einem Kinderknoten zugeordnet. Sie sollten nicht auf der Ebene der Elternknoten vorhanden sein.

Die Anforderungen an einen Aktenplan werden vom Bundesarchiv wie folgt zusammengefasst:

<Zitat>An den Aktenplan sind verschiedene Anforderungen zu stellen, die oft nur schwer in Einklang
zu bringen sind:

  • umfassende Gültigkeit für alle Organisationseinheiten einer oder mehrerer Behörden
  • Verwendung (nur) der Aufgaben für die dem Aktenplan zu Grunde liegende
    Stoffsammlung, die für eine sinnvolle Ordnung von Akten notwendig sind
  • sachthematische Begriffe
  • sachlich-hierarchischen Gliederung und Reihung der Begriffe
  • aufgabengerechte Gewichtung und Gliederung der Begriffe/Aktenplanpositionen, so dass
    der gesamte Aktenplan eine gleichmäßige Gliederungstiefe aufweist und gleichgewichtige
    Aktenplangruppen entstehen
  • möglichst dauerhafte/langfristige Stabilität
  • Anpassungsmöglichkeiten bei Aufgabenveränderungen innerhalb der Behörde bzw. bei
    Aufgabenverschiebungen zwischen Behörden
  • leicht verständliche, eindeutige Begrifflichkeit für Anwender in der Registratur und den
    Fachbereichen
  • übersichtliche Gestaltung
  • knappe und handliche Form.“ </Zitat>

Beim Aufbau der Ordnungssystematik sind die Grundsätze des Reihens und Gliederns in monohierarchischen Ordnungssystemen zu berücksichtigen (DIN 2330 Begriffe und Benennungen – Allgemeine Grundsätze.). Um die Nutzung übersichtlich und praktikabel zu gestalten sollten keine zu langen Reihungen von Begriffen (es sind kurze Einzelbegriffe zu wählen) und keine zu große Tiefe (Anzahl der Stufen oder Ebenen) gewählt werden. Von der Wurzel beginnend sollen die verwendeten Benennungen (Begriffe) ein logische Gefälle haben. Die Sachthemen übergeordneter Ebenen dürfen dabei in Gruppen oder Unterkategorien nicht gewechselt werden. Sie sind detaillierter und erläutern im Prinzip die Inhalte und Unterschiede zur Eltern-Ebene oberhalb.

Letztlich ist ein Aktenplan nur eine Struktur und die Informationsobjekte befinden sich erst unterhalb der untersten Ebene.

Werfen wir einmal einen Blick auf die 10 allgemeingültigen Prinzipien eines Aktenplans:

  1. Eindeutigkeit:
    Der Aktenplan sollte eindeutig sein und keine Missverständnisse zulassen.
  2. Vollständigkeit:
    Der Aktenplan sollte alle wichtigen Dokumente und Informationen enthalten, die für das Unternehmen relevant sind.
  3. Strukturierung:
    Der Aktenplan sollte eine logische Struktur haben, um den Zugriff auf die Dokumente und Informationen zu erleichtern.
  4. Aktualität:
    Der Aktenplan sollte regelmäßig aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass er immer auf dem neuesten Stand ist.
  5. Zugänglichkeit:
    Der Aktenplan sollte allen Mitarbeitern zugänglich sein, die Zugriff auf die Dokumente und Informationen benötigen.
  6. Sicherheit:
    Der Aktenplan sollte so gestaltet sein, dass er vor unbefugtem Zugriff geschützt ist.
  7. Nachvollziehbarkeit:
    Der Aktenplan sollte die Nachvollziehbarkeit der Dokumente und Informationen gewährleisten.
  8. Verständlichkeit:
    Der Aktenplan sollte für alle Mitarbeiter verständlich sein, damit sie schnell die benötigten Dokumente und Informationen finden können.
  9. Flexibilität:
    Der Aktenplan sollte so gestaltet sein, dass er sich an veränderte Anforderungen anpassen lässt.
  10. Konsistenz:
    Der Aktenplan sollte konsistent sein, um Verwirrung und Missverständnisse zu vermeiden.

Eine Reihe von Prinzipien werden von dem meisten Aktenplänen nicht eingehalten, z.B. 1., 4. 6., 8., 9. und 10. So kenne ich eine Reihe von Aktenplänen, wo vor der Re-Organisation auf jeder Ebene des Baumes „Sonstiges“ auftauchte. „Sonstiges“ gibt es grundsätzlich nicht, weil dann die meisten Inhalte dort landen. Es müsste heißen „noch nicht eingeordnet“, mit einem Wiedervorlagedatum versehen sein und über Eskalationsfunktionalität verfügen. Die Probleme liegen in der Struktur des Aktenplanes selbst. Innerhalb der Hierarchie gibt es meistens nur einen Ort sehr tief unten, an den eine Akte oder ein Objekt abgelegt werden kann. Nimmt man die Anforderungen des Bundesarchives und unsere generellen Prinzipien für einen Aktenplan, dann zeigt sich die Schwierigkeit und Komplexität der Aufgabenstellung sehr schnell.

Solche Aktenpläne werden von Spezialisten (Bibliothekaren, Archivaren, Dokumentaren) in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen entwickelt. Häufig ist dann anschließend nicht mehr geklärt, wer den Aktenplan und gegebenenfalls für die Benennungen einen hinterlegten Thesaurus weiterpflegt. Noch spannender wird es, wenn der Aktenplan multilingual ist und den Aktenplankennzeichen oder Begriffen mehre Sprachen hinterlegt sind. Die manuelle Erstellung eines Aktenplans ist sehr aufwändig und häufig geraten sich dabei die Puristen, sprich, die wissenschaftlich ausgebildeten Archivare und Records Manager, und die Vertreter der Fachabteilungen mit ihrem Sprachgebrauch und Adhoc-Ablageverfahren „in die Haare“. Häufig landen dann die Aktenpläne (in der Freien Wirtschaft) im Schrank. Besonders kritisch ist es immer dann, wenn ein genutzter Aktenplan geändert oder erweitert werden soll: Operationen wie „Split“, „Merge“, „Diverge“, „Crosslink“, Re-direct“, „Freeze“, „Monitor“ oder „Re-Assign“ von „Knots“ sind in der Papierwelt kaum umsetzbar. In einem rein theoretisch konstruierten Hierarchiebaum kommt es gern vor, dass unter einem Blattknoten nur ein Dokument liegt und unter einen anderen auf der gleichen Ebene 10.000 Dokumente. Eine solche Struktur ist natürlich nicht sehr hilfreich.

Das Aktenzeichen

Der Aktenplan ist eine Ordnungssystematik. Sie fasst gleichartige, sachlich oder fachlich zusammengehörige Informationsobjekte zusammen. Der Aktenplan bestimmt die Zuordnung und den Ablageort. Zusätzlich ist eine Kennzeichnung, Kennung oder Identifikation des individuellen Vorgangs, Dokumentes oder Containers notwendig. In der öffentlichen Verwaltung ist diese Kennung das Aktenzeichen, dass sich aus dem Aktenplan, dem individuellen Betreff und anderen Identifikationselementen zusammensetzt. Das Aktenzeichen findet sich in der öffentlichen Verwaltung wieder. In der freien Wirtschaft und anderen Organisationen wird häufig mit anderen Identifikatoren gearbeitet. Hierzu können Namen, Betreff sowie Kunden-, Vertrags-, Fall- und Vorgangsnummern gehören. In der öffentlichen Verwaltung wird jedoch meistens mit einer Kennung gearbeitet, die aus arabischen Ziffern besteht und sozusagen den Aktenplanpfad bis auf die einzelne Seite eines Vorganges „verlängert“. Neben den Ziffern werden häufig auch Buchstaben oder Buchstaben-Ziffern-Kombinationen verwendet. Dies erhöht die Merkfähigkeit und löst häufig auch das Problem von Aktenplänen mit einem begrenzten numerischen System. Durch die Verwendung von Buchstaben und Buchstabenkombinationen zusammen mit Ziffern können auch organisatorische oder prozessuale Elemente in das Aktenzeichen integriert werden. Es muss aber auch festgehalten werden, dass es durchaus auch „Aktenzeichen“-Systeme ohne dahinterliegenden Aktenplan gibt.

Das Klassifikationsschema

Genaugenommen ist ein Aktenplan nur eine mögliche Abbildung eines Klassifkationsschema (Classification Scheme). Anders als die „plattgedrückte“ hierarchische Struktur ist ein zugrundeliegendes Klassifikationsschema vernetzt und kennt auch andere Beziehungen als nur Eltern-Kind. in einem Klassifikationsschema werden Objekte, auch Informationsobjekte, in Kategorien eingeteilt. Diese basieren auf definierten Kriterien. Ein Klassifikationsschema besteht aus verschiedenen Klassen oder Kategorien, die wiederum in Unterklassen oder Unterkategorien unterteilt werden können. Jede Klasse oder Kategorie hat eigene Merkmale wie ID, Benennung, Beziehung usw. Im Schema werden diese Eigenschaften der Klassen oder Kategorien auf die nachgeordneten vererbt. Ein Objekt, dass einer Klasse zugewiesen wird, erhält die Information aller darüber liegenden Klassen vererbt.

Ein Klassifikationsschema ist nicht zwingend sondern eher meistens nicht als hierarchischer Baum oder strukturierte Liste aufgebaut. Es basiert auf Beziehungen. Jeder Knoten ist mit anderen Knoten durch Linien oder Kanten verbunden. Die Knoten selbst haben ebenso wie die Kanten Eigenschaften. Eine Kante kann so eine Eltern-Kind-Beziehung aber auch „gehört zu“, „ist Teil von“ und ähnlichen haben. Dadurch können sowohl Strukturelemente mit ihrem Knoten mehrfach und auch auf unterschiedlichen Ebenen auftauchen. Ein Klassifikationsschema ist letztlich eine vernetzte Struktur. Solche Strukturen sind in einer Papierverwaltung nicht abbildbar.

Ein Beispiel für eine vernetzte Struktur in einem Klassifikationsschema ist ein Taxonschema (Schema einer Taxonomie) „Systema Naturae„, in der die verschiedenen Arten von Lebewesen geordnet werden. Dieses Beispiel von Linné ist der Klassiker.

Eine vernetzte Struktur eines Klassifikationsschemas bietet den Vorteil, dass sie eine detailliertere Darstellung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Klassen und Unterklassen ermöglicht. Sie kann jedoch auch komplexer und schwieriger zu verstehen sein als eine lineare Struktur und kaum praktikabel manuell einsetzbar.

Im Klassifikationsschema sind auch die weiteren Attribute enthalten und festgelegt, die die Identifikation und die Verwaltung der zugeordneten Informationsobjekte ermöglichen. Basis hierfür sind Klassen der Schemastruktur selbst sowie von Objekten, Berechtigungen, Sicherheitseinstufungen und anderen Kriterien, die definierte Attributwerte an die zugeordneten Informationsobjekte vererben. Hinzu kommen Identifikationskriterien mit individuell auszufüllenden Attributen wie Kundenummer, Aktenzeichen, Betreff, Schadensnummer, Bestellnummer, Rechnungsnummer etc. Diese sind je nach Anwendungsfall und Branche verschieden. Hinzukommen Verwaltungsattribute wie Datum, zuständiger Bereich oder Mitarbeiter, Status etc. Die Attribute und Klassen schlagen die Brücke von den generellen Ordnungsstruktur, der Aktenplan, zu den zugeordneten Dokumenten, Akten und anderen Objekten. Er die individuellen Identifikatoren und die Verwaltungsinformationen machen die Auffindbarkeit und Nutzung der Informationen möglich. Der Aktenplan dient nur als Ordnungs- und gegebenenfalls als Navigationsstruktur.

Es ist wichtig zu wissen, dass ein Aktenplan nur eine mögliche Ableitung, eine Visualisierung eines Klassifikationsschema ist. Jedoch konzentrieren sich in der „Papierwelt“ die Arbeiten meistens auf die Hierarchie des Aktenplans und weniger auf die Beziehungen und Eigenschaften im Klassifikationsschema, die den größeren Nutzen und eine bessere Flexibilität haben. Dies ändert sich mit der elektronischen Akte und dem elektronischen Aktenplan.

Die elektronische Akte & der elektronische Aktenplan

Die Elektronische Akte ändert alles. Sie ist meistens die Einstiegslösung bei der Digitalisierung von Behörden und Verwaltungen. Neuere Gesetze sehen die elektronische Akte ausdrücklich vor, so z.B. § 55b Abs. 1 VwGO: „Die Prozessakten können elektronisch geführt werden“. Die Behörden haben nach § 6 E-Government-Gesetz ihre Akten elektronisch zu führen, es sei denn, dass das Führen elektronischer Akten bei langfristiger Betrachtung unwirtschaftlich ist. Sehr vage formuliert.

Die elektronische Akte bietet vielfältige Möglichkeiten alles falsch oder alles richtig zu machen. Probleme entstehen immer dann, wenn z.B. der alte Aktenplan aus der Papierwelt 1:1 und „hart verdrahtet“ implementiert wird. Er wird dann als Baum- oder mit Registerstrukturen in der Software dargestellt. Einfache Änderungen und Ergänzungen und das Nutzen der Beziehungen entfallen aber in dieser Welt. Wenn dann noch die als ein Dokument gescannte Komplettakte – aus „Ersparnisgründen“ hinzukommt, ist die Nutzbarkeit drastisch eingeschränkt. Gab es in dieser „Ein-Dokument-Akte“ die Ordnung, dass das jüngste Dokumente als erstes angezeigt wird, kann man die Akte noch irgendwie nutzen. hat man einen sehr tiefen Aktenplan mit hohem Detail- und Differenzierungsgrad, also mehr als 4 Ebenen, erfordert das Navigieren zahlreiche „Klicks“ um an einen Vorgang oder an eine Akte zu gelangen. Man kann Akten gut über die Datenbank suchen, wenn man Aktenzeichen und Betreff kennt, blättert dann aber in der Darstellung des Inhalts der Akte einfach herum. Aber kennt man nach Jahren noch Aktenzeichen und Aktentitel? Die Akzeptanz der einfachen elektronischen Akte ist vielfach nicht besonders gut.

Die wesentlichen Vorteile einer „virtuellen Akte“ werden in diesen einfachen Versionen von elektronischen Akten nicht genutzt. Bei einer virtuellen Akte ist ein Klassifikationsschema hinterlegt oder sie wird durch eine intelligente Suche zur Laufzeit visualisiert. Im letzteren Fall werden alle zum Kontext gehörenden Informationsobjekte als strukturierte Ansicht zusammengestellt. Beide Ansätze basieren auf Klassenkonzepten. Da sind zunächst die Klassen oder Kategorien für die Strukturierung der Ansicht als Baum, mit Registern, als Lebenszyklus-Graph oder vernetzte Topic Map. Genutzt werden die Eigenschaften der Knoten wie auch der Kanten des Klassifikationsschemas. Wer Aktenpläne liebt bekommt halt eine Ansicht als „File Plan“. Die Knoten und Kanten haben technische IDs, die auch die Referenzierung anderer Sprachen möglich machen, so daß die gewählten Ansichten in der Sprache der Benutzeroberfläche oder des Benutzers über sein Profil erfolgen kann.

Der Struktur sind Informationsobjekte zugewiesen, d.h. Dokumente und ähnliche digitale Objekte. Diese selbst sind Klassen zugewiesen (häufig Dokumententyp, Dokumentenart oder Dokumentenklasse genannt), die ihre Eigenschaften auf das zugeordnete Informationsobjekt vererbt. So kann auch die Zuordnung zu einem oder mehreren Knoten im Klassifikationsschema vererbt werden. Das Dokument fällt dann automatisch an die richtige Stelle in der Struktur und wird durch seine Attributwerte einem virtuellen Container zugeordnet. Die Nutzung von Attributen und ihren Attributwerten erlaubt dadurch verschiedene Sichten, je nach Berechtigung, Kontext, Anfrage oder gewünschter Ansicht. So lassen sich viel effektivere Nutzungsmodelle implementieren, bei den der Anwender nur das sieht, was er aktuell braucht. Zum Beispiel nicht den ganzen Aktenplan sondern nur einen verkürzten Ast mit direktem Zugriff auf die benötigten Metadaten und Informationsobjekte. Ebenso wichtig wie die Informationsobjektklassen sind neutrale Berechtigungsklassen, die unabhängig vom aktuellen Berechtigungssystem des Betriebssystems den langfristigen stabilen Zugang zu Informationen ermöglichen. Über sie, die Struktur der Ordnungssystematik und die Informationsobjektklassen lässt sich auch der Schutz von Informationen umsetzen. Auf diese Weise lassen sich alle Anforderungen des Records Managements realisieren.

Klassifikationsschema beinhalten meisten auch implementierte Regeln für die Verwendung von Begriffen und Benennungen. Technisch gesehen werden für jeden Knoten und jede Kante sowie für deren Eigenschaften Attribute verwendet, denen kontrollierte Werte zugewiesen werden. Grundlage für die Begrifflichkeit, die dem Endanwender angezeigt wird, ist ein kontrollierter Wortschatz, der als Liste oder Thesaurus im System hinterlegt ist. Den Attributwerten, einem Schlüssel oder Begriff, können verschiedene Benennungen zugewiesen sein. Hierbei ist an Multi-Lingualität oder unterschiedliche Fachlichkeit zu denken. Je nach eingestellter Sprache werden zu dem Schlüssel die Benennungen ebenfalls in der eingestellten Sprache angezeigt. Ähnliches ist auch bei unterschiedlicher Fachlichkeit möglich. Dem Forscher wird die komplizierte chemische Bezeichnung angezeigt, dem Vertriebsmitarbeiter der Handelsname der Bezeichnung. Ebenso können Homonyme, Akronyme, Abkürzungen oder andere Varianten des Begriffes verwendet werden. Die Benennungen der Strukturelemente wie Knoten, die als hierarchischer Baum angezeigt werden, von Registern und Dokumentenklassen unterliegen der kontrollierten Nomenklatur. Diese ist von den Administratoren wi8e die vernetzte Struktur des Klassifikationsschema mit zu pflegen.

Durch die vernetzte Struktur eines Klassifikationsschema ist es einfach Operationen wie Ergänzungen, Zusammenführen, Bündeln und andere Operationen an der Ordnungsstruktur wie auch an den Informationsobjektklassen einzeln oder global durchzuführen, ohne dass die Informationsobjekte selbst betroffen sind. Alles passiert in der Datenbank. In diese können z.B. auch Klassifikationsschema eingeladen werden, die von anderen Anbietern z.B. als Branchenmuster erstellt wurden. Die Datenbank bietet Sicherung, Versionierung, Historisierung, Synchronisierung und viele andere nützliche Funktionen, die durch eine virtuelle Akte optimal genutzt werden können. So weit, so gut.

Die Automatisierung mit bisherigen Virtuelle-Akte-Lösungen

Die virtuelle Akte sollte längst Standard sein. Aber die meisten Produkte sind davon noch weit entfernt. Aber auch hier, bei der einfachen elektronischen Akte wie auch bei der virtuellen elektronischen Akte gibt es bereits Automatisierungs-Potentiale. Diese lassen sich in den drei Anwendungsbereichen „Erfassung“, „Nutzung“ und „Archivierung“ festmachen.

  • Erfassung (Ingest, Capture)
    • Bei der Erfassung von Papierdokumenten kann durch OCR der Inhalt erschlossen und die Indizierung automatisch oder mit Vorschlägen vorbereitet werden. Die Dokumente werden der richtigen Informationsobjektklasse zugeiwesen und erhalten automatisch die ermittelten Attributwerte.
    • Bei der Erfassung von E-Mail und anderer Kommunikation werden die Inhalte und Attachments direkt ausgewertet und analog den Papierdokumenten für die Indizierung, Klassifikation und Zuordnung verwendet.
    • Ähnlich wie mit OCR lassen sich auch über Barcodes Dokumente automatisiert erfassen. Dies ist z.B. nützlich bei Vordrucken, die vom Empfänger an die Organisation zurückgesendet werden. Dabei wird nicht nur die Informationsobjektklasse durch einen Barcode bestimmbar sondern durch 3D-Barcodes können auch Bearbeiter, Vorgang und andere Informationen verschlüsselt transportiert werden und so bei der Rückkehr einen „geparkten“ Vorgang wieder starten.
    • Bei der Integration mit anderen Anwendungen wie z.B. Kundeninformations-, Vorgangsbearbeitungs-, Stammdaten-, CRM- oder ERP-Systeme können erfasste Daten validiert und qualitativ angereichert werden, um die Workflows zu steuern. Hier sind komfortable, standardisierte APIs auf beiden Seiten von Vorteil.
    • Die Verwendung herkömmlicher Regel-basierter Automatische-Klassifikation-Systeme kombiniert die unterschiedlichen Eingangskanäle, vereinheitlicht die Daten, trägt die Index-Daten in die Datenbank ein und ordnet die Informationsobjekte korrekt Vorgängen, Akten oder anderen Kontext-Containern zu.
    • In der öffentlichen Verwaltung können bei den Erfassungsvorgängen auch Qualifizierte Elektronische Signaturen notwendig sein, die die Authentizität der gescannten Dokumente sichern soll. Diese können vom System bei geeigneten Workflows und Wahl praktikabler Signatur-Lösungen automatisiert werden.

  • Nutzung (Use, Presentation, Deliver)
    • Generierung individueller Nutzeroberflächen basierend auf Berechtigungen, Kontext, aktueller Situation, Nutzungsprofile usw. mit optimierter Präsentation und Navigation zu Informationen.
    • Darstellung von Inhaltsauszügen aus den relevanten Dokumenten anstelle von Hitlisten von Dokumenten, die erst aufgerufen und geöffnet werden müssen.
    • Individuelle, wiedernutzbare Workflows auf Basis von RPA Robotik Process Automationen. Der Anwender kann sich Workflows speichern, die das System aufgezeichnet oder auf Grund der bisherigen Arbeitsweise des Nutzers entworfen hat.
    • Individuelle Listen oder Verzeichnisse zu bearbeitender Informationen, die sich automatisiert füllen, über Priorisierung, Wiedervorlage und Fristenverwaltung verfügen, den Status von Informationen selbst prüfen und verarbeiten können sowie andere „intelligente“ Arbeitsorganisations-, Informationsaufbereitungs- und Analyse-Hilfen bieten.
    • Kontext- und Ablaufsensitive Hilfe, die automatisiert bei stockender Bearbeitung, Fehlern oder Hilfeaufrufen, direkt auf den Prozessschritt oder den fachlichen Inhalt des Informationsobjekt bezogen Erläuterungen und Hilfetexte ausgibt.
    • Bei neuen Funktionen oder geänderten Prozesse, Grundlagen und Inhalte der Software können dem Anwender, wenn er zum ersten Mal auf die Neuheiten während seiner Arbeit stößt, entsprechende Erklärungstexte, Lehrvideos, Verständnisabfragen oder Tests mit Ergebnisdokumentation anzeigt und protokolliert werden.
    • Prüfungs- und Vorschlagsroutinen können Dateneingaben auf Richtigkeit und Zulässigkeit automatisiert prüfen oder sinnvolle Eingaben vorschlagen. Hierbei erfolgen die Prüfungen und Vorschläge zum Einen gegen direkt im System hinterlegte Stammdaten und Informationen des Klassifikationsschema sowie zum Zweiten durch Abfrage, Einholung und Prüfung von Daten aus angebundenen Systemen. „Intelligente“ Algorithmen erleichtern so die Dateneingabe und erhöhen die Qualität und Richtigkeit der Daten. Daten die bereits im System vorhanden sind werden dabei vollständig automatisiert ohne manuelle Eingaben verwendet.
    • Zusammenstellung von Containern zusammengehöriger Informationen z.B. für Mitnahme auf Notebooks oder zur Bereitstellung lokal auf Heimarbeitsplätzen mit automatisierter Synchronisation, Verarbeitung von Änderungen und Konsolidierung gegen den Stamm-Informationsbestand.
    • Automatisierte Zwischenspeicherung, Versionierung und Historisierung von Informationsobjekten und ihren Meta-Daten mit Aufbau einer Versions-, Bearbeitungs- und Lebenszyklus-Historie, die am Informationsobjekt abrufbar ist.
    • Automatisierte Pflege der Informationsobjekte, z.B. mit Prüfung der Dateiformate in Bezug auf ihre Verarbeitungsfähigkeit, Prüfung von Prüfsummen zur Authentifizierung von elektronischen Originalen, Hintergrundprüfungen zu Berechtigungen für Anzeige von Suchergebnissen, Dokumenten oder Teilen von Dokumenten, Vollständigkeit eines Vorgangs entsprechend der hinterlegten Vorgangsdefinition, Aktualität von Informationen für Sortierungszwecke, automatische Übersetzung fremdsprachlicher Inhalte, Glossareinblendung bei Inhalten mit vielen Fremdworten, usw.

  • Archivierung (Digital Preservation, Ablage, LZA Langzeitarchivierung, Aufbewahrung, revisionssichere Archivierung)
    • Automatisiertes Verschieben oder Überstellen von Informationsobjekten auf Basis ihrer Kategorisierung oder Statusdaten aus Records Management, Dokumentenmanagement, Fachanwendungen oder Collaborationsumgebung in das Archiv ohne zusätzliche manuelle Interaktion.
    • Automatisierte Prüfung der für die Verwaltung im Archiv notwendigen Metadaten mit automatischer Ergänzung fehlender oder Berichtigung fehlerhaften Daten in den Metadaten. Hierzu kann die Automatisierungskomponente auf den Volltext der Inhalte sowie Daten der Aktenplanstruktur, von Auswahllisten, aus kontrolliertem Wortschatz sowie angebundene Softwaresysteme zurückgreifen.
    • Automatische Wandlung von Eingangsformaten in Archivformate einschließlich der Speicherung beider Formate unter gleichem Index. Dies stellt sicher, dass zum einen das originäre, prinzipiell verarbeitungsfähige Dateiformat zur Verfügung steht, andererseits aber parallel eine langfristig stabile Archivkopie für reine Anzeigezwecke vorliegt.
    • Automatisierte Prüfung des Archivbestandes, der Datenbank und der Metadaten in der Datenbank auf Konsistenz, Vollständigkeit und Nutzbarkeit mit Meldung oder gleich automatischer Berichtigung von Fehlern.

Die nächste Generation der Automatisierung von eAktenplänen und eAkten

Während viele der zuvor erwähnten Automatisierungsmöglichkeiten regelbasiert oder direkte Kodierung umgesetzt werden können, kommt nun eine zweite Generation der Automatisierung in Information Management und Information Governance zum Einsatz: Künstliche Intelligenz (KI; AI Artificial Intelligence), Maschinenlernen (ML; Machine Learning, Deep Learning), und Analyse-Verfahren (Analytics, Bigdata). Diese Technologien führen zu neuen Einsatzmöglichkeiten, die die vollständige Automatisierung von bestimmten Prozessen ermöglicht. Die Rolle der menschlichen Mitarbeiter verändert sich in Richtung Design, Kontrolle und Steuerung der automatisierten Verfahren.

  • Künstliche Intelligenz
    KI hat u.a. das Ziel, Software und Robotik so zu programmieren, dass sich das System wie ein Mensch verhält und die Lösungen ähnlich wie der menschliche Geist funktionieren. Hierzu werden regelbasierte, antrainierte und selbstlernende Verfahren eingesetzt. Neuronale Netze und Mustererkennung sind wichtige Komponenten der KI.

    KI kann besonders für folgende Gebiete zur Automatisierung eingesetzt werden:
    • Aufbau von Wissensbasen durch Auswertung der Inhalte von Dokumenten. Nicht mehr die Hitliste mit Dokumenten steht im Vordergrund sondern das extrahierte Wissen.
    • Hochwertige automatische Klassifikation und Kategorisierung von eingehenden Informationen mit gleichzeitigem Weiterentwickeln und Erlernen der inhaltlichen Zuordnung bis hin zur automatischen Verarbeitung und Beantwortung von Anfragen.
    • Hochwertige Erläuterungs- und Chatsysteme, die selbstständig Informationen verarbeiten und sinnvolle Antworten geben können. Dies kann bis zur kompletten Dialogführung mit anschließender Dokumentation der Daten und Ergebnisse gehen.
    • Prüfung der Ergebnisse menschlicher Interaktionen gegenüber Regelwerken, Best-Practice-Daten, definierten Prozessen, bisherigen Ergebnissen, Kontext und Umfeld zur Präzisierung von Ergebnissen, Vorschlagen von individuellen Standardtexten und Sicherung der Konsistenz der Entscheidungen.

  • Maschinenlernen
    Maschinenlernen ist eine wesentliche Komponente sich selbstständig trainierender und weiterentwickelnder Künstlicher Intelligenz. Dabei gibt es beim Maschinenlernen sehr unterschiedliche Verfahren. Am bekanntesten sind das regelbasierte Verfahren, das Antrainieren mit einem Musterdaten-Lernbestand und das Aufzeichnen zum selbständigen Wiederholen von Arbeitsschritten. Aus Letzterem stammt der ursprüngliche Ansatz von RPA Robotic Process Automation. Als neue ML-Technologien kommen das Deep-Learning und das Self-Learning hinzu, die zu sich selbst weiterentwickelnden Systemen führen.

    ML kann besonders für folgende Automatisierungsaufgaben im Information Management und der Information Governance genutzt werden:
    • Aufzeichnung von Prozessen und Transaktionen, um diese situationsgerecht automatisiert wiederholen zu können.
    • Automatisierte Kopplung von verschiedenen Softwaresystemen zur Abwicklung übergreifender Transaktionen und Prozesse.
    • Weiterentwicklung von Routinen der Künstlichen Intelligenz auf Basis neuer Daten und neuer Ergebnisse aus den tatsächlichen Prozessen. Optimierung von BPM Business Process Management durch Rückkopplung mit den realen Abläufen und Ergebnissen.
    • Auswerten der gesamten Systemumgebung, Strukturen, Prozesse, Daten und Dokumente zur Verdichtung, Entwicklung, Überwachung, Aktualisierung und Pflege von Verfahrensdokumentationen und Verfahrensbeschreibungen zur Erfüllung von Compliance-Vorgaben.

  • Analyse-Technologien
    Analytics und Bigdata bringen neue Ansätze in die Automatisierung in dem sie vorhandene Informationen und tatsächliche Abläufe analysieren, konsolidieren und kombinieren. Sie sind damit auch eine Grundlage für KI Künstliche Intelligenz generell und ML Maschinenlernen speziell.

    Analytics kann zur Automatisierung im Umfeld eAkte und eAktenplan wie folgt eingesetzt werden:
    • Auswertung von Prozessdaten, Metadaten, Protokolldaten und anderen systeminternen Informationen zum Nachvollziehen und dokumentieren von Ergebnissen und Entscheidungen.
    • Analyse von Prozessen zu Optimierung, Dokumentation und Automation. Die Prozessanalyse ist Grundlage auch für traditionelles Prozess-Design wie auch für RPA Robotic Process Automation.
    • Analyse aller Daten- und Informationsobjektbestände um daraus selbstständig mittels ML und KI auf den Bestand und Nutzungsmodelle optimierte Aktenpläne und Klassifikationsschema zu entwerfen. Diese entsprechen dann eher den vorhandenen Informationen und Prozessen als die von Menschen „am grünen Tisch“ entworfen Aktenpläne.
    • Analyse der Nutzung von Aktenplänen, Suchen und anderen Nutzungsmodellen mit selbsttätiger Optimierung z.B. durch Umsortierung von Schlagwortlisten, Ausblenden nicht genutzter Informationen, Neuordnen von Bäumen mit Verschieben von Ästen und Blattknoten, Durchführung von eDiscovery-Recherchen nebst Extrahieren von nachweisdatenbeständen, und andere Ansätze.

Das Fazit

Der Einsatz von Analytics, Maschinenlernen und Künstlicher Intelligenz bringt neue Automatisierungsmöglichkeiten in die Nutzung von virtuellen Akten und virtuellen Aktenplänen.

eAkten werden automatisch durch Prozesse gebildet, protokolliert und am Ende der Bearbeitung automatisch archiviert. Dies führt zu erheblichen Erleichterungen für die Mitarbeiter, Beschleunigung, Sicherheit, Konsistenz und Effektivität bei der Nutzung elektronischer Dokumente. eAkten sind dabei situations- und kontextgerechte Container von Informationen, die in beliebiger Struktur angezeigt und genutzt werden können.

eAktenpläne können automatisch vom Records-Management- und Archivierungs-System erstellt, oder zumindest vorgeschlagen wird oder durch Import eines Referenzmodelles für einen Standard-Aktenplan realisiert werden. Es sind nur noch geringfügige Anpassungen und Bestätigungen notwendig, um den virtuellen Aktenplan zu nutzen, der auf vernetzten Klassen, Knoten und Kanten basiert.

Für Standardprozesse, die definierte Ergebnisse haben, ist eine vollständige Automatisierung möglich. Mitarbeiter können sich so auf die speziellen Fälle, die mehr Aufwand benötigen, konzentrieren.

Die bisherigen recht statischen Versionen von elektronischen Akten, Vorgangsbearbeitungs- und Workflow-Systemen werden durch eine neue Genration hochgradig automatisierbaren Systeme mit Maschinenlernen, Analyse-Technologien und Künstlicher Intelligenz abgelöst. Das einfache Übernehmen von Akten, Aktenstrukturen und Aktenplänen aus der Papierwelt ist dann vorbei. Es können dann auch die Vorteile und die Effizienzpotentiale elektronischer Aktenführung endlich genutzt werden. eAkte und eAktenplan werden „intelligent“.

Mit diesen Ansätzen wie auch mit einer weitgehenden Standardisierung und Vereinfachung lässt sich dann auch im Bereich eGovernment der Abstand im Digitalisierungs-Ranking schnell verringern. Die Freie Wirtschaft wird von selbst auf diese Methoden setzen, da sie Wettbewerbs-, Kosten- und Sicherheits-Vorteile mit sich bringt. Die Visualisierung von Inhalten wird sich schnell von den bisherigen komplexen Ansichten am Bildschirm lösen und effizientere Nutzung der Information ermöglichen.

Für die Anbieter solcher Technologien ebenso für diejenigen, die solche Lösungen anschaffen, gilt es nun, die Anforderungen und Angebote an Funktionalität der neuen Zeit anzupassen.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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