Zwei Keynotes zur Diskussion um ECM, EIM & Content Services
24. Juni 2017 08:16 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
In zwei Keynotes wurde von Dr. Ulrich Kampffmeyer die aktuelle Diskussion um die „Zukunft von ECM“ besprochen.
Als Eröffnungs-Keynote „ECM – und was kommt danach?“ (Folien http://bit.ly/Lobonet-Kff; Video http://bit.ly/lobonet2017Video) auf dem Lobonet Kundentag 2017 in Erding.
Als Abend-Keynote „Digitalisierung & Information Management“ (Folien http://bit.ly/Kff-CENIT; Video http://bit.ly/Kff_CENIT) auf dem Cenit EIM Innovationstag in Böblingen.
Beide am 22.6.2017.
Natürlich gehörten die aktuellen Branchenthemen wie Content Services, IIM Intelligent Information Management, EIM Enterprise Information Management,Künstliche Intelligenz usw. dazu. Die Keynote in Erding gab es auch als Life-Stream und von beiden Vorträgen gibt es auch Videoaufzeichnungen.
Die Folien der Keynotes werden im Open Access ohne Erfassung von Adressdaten und kostenfrei als CC by-nc zur Verfügung gestellt.
Die Zukunft von ECM, EIM, ECMS, Content Services
In Fortführung eines begonnenen Threads zum „Enterprise“ vor „Information Management“ und Uli Kampffmeyers o.g. Beiträge und Keynotes:
Ich habe Uli Kampffmeyers Standpunkt zu Information Management als dem, was man heute benötigt, nichts hinzu zu fügen und teile diesen. Kein Mensch braucht 2017 noch Software, die nichts kann außer digitalisierte Dokumente. Information ist digitales Dokument, aber auch anderer Content, die Einheit aus Content und Daten, reine Daten, Daten, unter denen Content substrukturiert ist, und … na, ja, der Platz ist hier beschränkt. Aber wir sind uns einig, nachzulesen in den o.g. diversen Beiträgen und Keynotes.
Ich meine aber zusätzlich (nicht alternativ) zum Begriff Information Management, dass Enterprise ein wichtiger Anspruch unserer Gattung von Software bleibt (und mag deshalb weiterhin ECM sowie EIM statt nur IM), wenn man Enterprise als die Fähigkeit einer Information Management Software versteht unternehmensweit zu skalieren. Skalieren meint in dem Zusammenhang einer Vielzahl von IM-Anwendungen abzudecken und es meint, technisch in weit verteilten und großen Enterprises einsetzbar zu sein; eben Enterprise-Software zu sein. Dass EIM und erst recht ECM als Begriff aus anderen Gründen fehlleitet und zu kurz springt, nehmen ich dafür in Kauf.
ECMS ist ein guter Anspruch, da bin ich dabei. Jetzt bräuchte ich eigentlich einleitend eine Seite über Services, um mich in der m.E. seit Gartner und Co teilweise wirklich schrägen Verwendung von Content Services begrifflich erst einmal zu positionieren, das geht hier natürlich nicht. Verkürzt, Services sollte für einen moderneren Technologie-Stack stehen, wie z.B. Microservices, und Services sollte für moderne Integrierbarkeit stehen, wie sie mit SOA, Web Services und API first adressiert wird. Dieses „S“ unterschreibe ich als Anspruch an moderne ECM-EIM-xy sofort.
Ich unterschreibe nicht, mit Software auf den „S“ Zug zu springen, die weder einen Microservices-Stack, noch ein durchgängiges API first, noch eine modere API Schnittstelle a la REST only hat. Natürlich kann man auch vor die vermodertste Software eine API Fassade klemmen und das als Content Services vermarkten. Aber das ist Marketing. Ich bin Software-Ingenieur.
Ich unterschreibe nicht, kleine Teilchen aus der ECM-EIM-Palette eines monolithischen niemals-nicht-Services-Architecture-Systems herauszuklauben, die dann zusammenhanglos auf Cloud zu platzieren, 90% ECM-EIM-Palette dabei nicht rüber bringen zu können und das dann als Content Services zu bezeichnen. Respekt vor Marketing ebenfalls, aber als Software-Ingenieur kann ich nicht einverstanden sein.
„ECMS als Kern einer Information Management Lösung“, sagt Uli Kampffmeyer. Denkenswert, ich finde es aber auch nur teilweise richtig. Denn, wenn es „der Kern“ ist, was kommt denn dann noch drumrum, obendrauf, daneben? Ich habe schon den Anspruch, dass ein modernes Content-Services-ECM-EIM Information Management schafft. Mit allen Aspekten, siehe einleitend. Natürlich hat alles seine Grenzen, aber die werden immer weicher. Natürlich sollten wir im Wesentlichen Anwendungen damit machen, die ordentlich mit Content zu tun haben. Mit Sicherheit sind wir raus, wenn es um die extensive Rechnerei und Verarbeiterei eines ERP auf nur-Daten geht (ich weiß wovon ich bei ERP rede ;-)). Aber als ECM-EIM nur ein Teil der Infrastruktur eines Information Management zu sein, das ist mir für viele Anwendungsfälle zu wenig.
Umgekehrt bin ich aber einverstanden: Keineswegs kann ein Content-Services-ECM-EIM alle Softwareprobleme eines Unternehmens lösen. Dieser hypertrophe Anspruch, der einmal mit dem Wort „Enterprise“ im ExM verbunden war, ist von der Wirklichkeit plattgebügelt worden. Da alle betrieblichen Softwaresysteme letztlich unter Information Management fallen (was machen sie denn sonst außer Unternehmens-Information managen – und über Spiele und xy reden wir hier nicht), sind wir schon rein definitorisch unter dieser Brille nur ein Teil, soweit ist also Uli Kampffmeyers Begriffsbildung akzeptiert. In dem Fall wird dann natürlich eine wirklich gute Integrierbarkeit entscheidend und da sind wir dann wieder bei den Services.
Eine Antwort an Gregor Wolf
Lieber Herr Wolf,
das Thema ist wahrlich nicht neu. Schon vor 8 Jahren stellten wir „ECM“ als Leitmotto in Frage (2009), entwickelten eine Vision was danach kommt (2013; darin auch, was man zusätzlich zu ECM im EIM braucht), bauten hierzu für die Bewertung von Lösungen bei Kunden ein Maturity Modell (2013; mit allen Merkmalen), vertraten dies auf Anbieterveranstaltungen (2014), führten endlose Diskussionen um die Nachfolge von ECM (2015) und mussten einen neuen Anlauf nehmen angesichts der Aussage „ECM is dead“ (2017). Die Analysten sprangen dann gleich mit „Content Services“ in die Bresche oder Anbieter mit „Information Services„. Verbände machten weiter mit Intelligent Information Management oder Digital Workplace. Kein Ende in Sicht und ECM geht langsam vor die Hunde.
Die beiden Vorträge oben … die sind nur einer meiner jüngsten derzeitigen Anläufe. Ich empfehle zum Thema „Content Services“ übrigens das Video „Digitalisierung & Information Management“ ab Minute 10:00.
All dieses Diskutieren ist für die Katz, wenn es nicht beim Endanwender ankommt. Und dort ist die Entscheidung über Akronyme wie ECM und EIM längst gefallen …
Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Technologien und Funktionen von ECM, genaugenommen von ECMS Enterprise Content Management Systemen, weiterhin als wichtige Infrastruktur notwendig sind. Schon im Jahr 2001 waren Dienste, „Services“, wichtiger Bestandteil der ECM-Architektur. Sich aber nun in der Diskussion nur auf dieses Feature zurückzuziehen, mit „Content Services“ nur noch auf Technologie und Funktionalität zu setzen, halte ich für falsch.
Es lebe Information Management – und meinetwegen mit der AIIM auch Intelligent Information Management. Und – ein „ContentServices-ECM-EIM“ wird nie alle Softwareprobleme eines Unternehmens lösen können. Und – es gibt weiterhin einen Unterschied zwischen Informationen erstellen, austauschen und verarbeiten einerseits und andererseits verwalten, erschließen und bewahren von Information. Letzteres ist der Heimat-Turf von Information Management. Und – ECM, EIM und meinetwegen auch Content Services, sind nur kleine Unterabteilungen dieses umfassenderen Anwendungsfeldes.
Ulrich Kampffmeyer
Lieber Herr Kampffmeyer, …
Lieber Herr Kampffmeyer, … und Zustimmung zu Ihrer Antwort. Und Punkt. Und … wie mit welchem Gattungsnamen benenne ich unsere Software nun am besten? Denn alles, was halbwegs etabliert ist, trifft es nicht. Und alles, was es halbwegs treffen würde, interessiert keinen außerhalb einer kleiner esoterischen Gruppe von Menschen. Oder wie ein Kollege neulich sagte: „Ist mir alles wurscht, solange die Kunden eine DMS wollen, ist es bei mir ein DMS“.
Noch eine Antwort an Gregor Wolf
Lieber Herr Wolf,
Kunden im deutschen Mittelstand suchen immer noch Archivierung & Aufbewahrung, Workflow & Postkörbe, Dokumentenmanagement & elektronische Akten, Rechnungseingang & Scannen 🙂 Bei Großunternehmen kann man immer noch mit den alten Akronymen wie ECM reüssieren. Bei internationale Anbietern rücken Records Management und Information Governance mehr in den Fokus. Über den sehr speziellen Markt des E-Government brauchen wir hier nicht zu philosophieren. Über allem schwebt dann ein Nebel aus Digitalisierung, Cloud, digitaler Transformation, Workplace, Industrie 4.0, IoT, usw. Letztlich geht es aber allen um vorkonfigurierte, einfach zu integrierende Lösungen und eine vernünftige Infrastruktur, die alle Informationen im Unternehmen nutzbar macht. In einem anderen Diskussionsstrang in unserem Blog hatte ich Ihnen und anderen Kollegen von Optimal Systems hierzu schon einmal geantwortet (http://bit.ly/OS_ECM-EIM).
Bei PROJECT CONSULT setzen wir als Oberbegriff auf Information Management, weil dies nicht nur Technologie ist sondern Methoden, Strategien, Organisation, Prozesse und Arbeitsweisen einschließt.
Ulrich Kampffmeyer