HR Performance Interview „Digitale Personalakte 2015“

2. März 2015 12:05 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Für das Sonderheft zum Thema "Digitale Personalakte 2015" führte das Datakontext Fachmagzin "HR Performance" ein Interview mit Dr. Ulrich Kampffmeyer.

"Ein neues Dokumentenzeitalter beginnt" titelt der Beitrag von Lisa Siebelmann und Franz Langecker [Datakontext]:

 

[Datakontext] Was waren in den letzten Jahren die Meilensteine der Veränderungen des Dokumentenmanagements?
[Ulrich Kampffmeyer] Dokumentenmanagement hat sich als notwendige Infrastruktur etabliert. Es hat weniger Sichtbarkeit am Arbeitsplatz, da es in die Anwendungslandschaft integriert ist. Auch wenn die Branche inzwischen andere Begriffe und Akronyme verwendet, sind die Grundfunktionen über die Jahre stabil geblieben. Stabilität angesichts des rapiden Wandels ist hier positiv zu sehen, da es um die Bewahrung, Erschließung und Nutzung von Informationen im Unternehmen geht. Meilensteine gibt es viele – einige davon bedingt durch rechtliche Entwicklungen zur Anerkennung elektronischer Dokumente, zur elektronischen Steuerprüfung und andere. Der Anbietermarkt war gekennzeichnet durch Übernahmen und das Bestreben, mit den allgemeinen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie mitzuhalten. Dabei spielten Lösungen für die Automatisierung, die elektronische Akte und das Prozessmanagement eine besondere Rolle. Letzte zwei Komponenten des Dokumentenmanagements haben auch für das Thema HR Human Ressources besondere Bedeutung, z.B. in Gestalt der Personalakte oder des Onboarding-Prozesses neuer Mitarbeiter.

 

[Datakontext] Wie positioniert sich dieses Thema heute?
[Ulrich Kampffmeyer] Aktuell werden die Entwicklungspfade durch den „SMAC-Stack“ auseinander gerissen. SMAC steht für Social, Mobile, Analytics und Cloud. Neue Architekturen, neue Funktionen, neue Nutzungsmodelle, neue Benutzeroberflächen, neue Anbieter – all dies macht den traditionellen Dokumentenmanagement-Lösungen Probleme. Es geht auch nicht mehr nur um Dokumente herkömmlicher Art sondern generell um die Beherrschung aller Informationen im und für das Unternehmen. Es gilt diejenigen Informationen, ob Daten, Content, Assets oder Dokumente herauszufiltern, die besonders geschützt, aufbewahrt sowie gezielt den Mitarbeitern in der richtigen Version und aktuell im Kontext ihrer Arbeit bereitgestellt werden müssen. Klassisches Dokumentenmanagement deckt nur einen Teilbereich dieser Aufgabengebiete ab. Ion den letzten Jahren machte der Begriff Enterprise Content Management (ECM) als übergreifendes Konzept die Runde. Da es nunmehr gilt alle Informationen im Unternehmen unabhängig von Ort, Zeit, Nutzer, Format und ursprünglichem Zweck zu erschließen spricht man heute vom Enterprise Informationen Management (EIM), das auch die modernen Ansätze von Social Media, mobilen Geräten, Auswertung und Nutzung mit Bigdata sowie verschiedene Varianten von privater, hybrider und öffentlicher Cloud einschließt. Das klassische Dokumentenmanagement ist nur noch ein Puzzleteil in diesem deutlich größeren Bild.

 

[Datakontext] Wie veränderte sich mit der Technologie auch die Rolle der Menschen in diesem Bereich?
[Ulrich Kampffmeyer] Die Rolle des Menschen in unserer technisierten Welt verändert sich total. Dies beginnt mit der Durchdringung unseres Lebens mit allgegenwärtiger Computer- und Kommunikationstechnologie. Man arbeitet zu Hause, unterwegs, ohne ständigen Büroarbeitsplatz; trennt nicht mehr zwischen Privat und Dienst. Wir werden an einem Tag mit mehr Reizen und Informationen überflutet als ein mittelalterlicher Bauer im ganzen Jahr. Wir stehen ständig an der Grenze unserer Leistungsmöglichkeiten und werden von Systemen nicht nur ständig mit Information gefüttert sondern auch beeinflusst und gesteuert. Hier hat das Enterprise Information Management (EIM) eine besondere Bedeutung wenn wir an das Thema Automatisierung von Büroprozessen denken. Software weist uns die Aufgaben zu und kontrolliert die Erledigung. Bestimmte Arbeitsplatztypen und Rollen werden wegrationalisiert ohne das es adäquate neue Aufgaben für die Mitarbeiter gibt. Im Moment wird dies noch durch den demographischen Wandel kaschiert. Für andere Menschen eröffnen die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien aber auch neue Möglichkeiten der Interaktion, Kreativität und Zusammenarbeit, wie sie z.B. mit Collaborations- und Social-Media-Werkzeugen aus dem Enterprise-Information-Management-Baukasten unterstützt werden. In Zukunft werden aber  Systeme immer mehr unter einander erledigen. Expertensysteme, Ubiquotous Computing, Robotik, Automatisierung und Analyse-Werkzeuge tun hier ihr Übriges. Die Rolle des Menschen, für sein eigenes Selbstverständnis, bei der Arbeit und in der Gesellschaft, muss neu definiert werden.

 

[Datakontext] Von der Datenverwaltung ist es nicht mehr weit zu Big Data und Analytics. Beginnt hier ein neues „Zeitalter“?
[Ulrich Kampffmeyer] Information Management hat das vorrangige Ziel Informationen zu verwalten, aber der Erschließung kommt eine besondere Bedeutung zu, da sonst die Information nicht nutzbar ist. Bigdata steht hier in einer Tradition von Analyse- und Auswertungswerkzeugen beginnende bei Management-Informationssystemen (MIS), Enterprise Search, Business Intelligence (BI) und anderen. Bigdata dient aber nicht nur zur Auswertung und Analyse großer Mengen an unterschiedlich strukturierten Informationen sondern bietet auch neue Formen der Organisation von Information. Wo in der Vergangenheit relationale Datenbanken mit strukturierten Tabellen Daten verwalteten finden sich heute unstrukturierte „Hadoop-Repositories“, die mit Enterprise Search, semantischer Analyse und Bigdata-Analytics Informationen für den Mitarbeiter gezielt bereitstellen und Anwendungen damit „füttern“. Für das traditionelle Dokumentenmanagement mit Referenzdatenbanken, die auch die anderen Ortes gespeicherten Dokumente und Datensätze verweisen, sind die neue Architekturen ein herber Umbruch. So wird vielfach bereits die Frage gestellt, muss man noch geordnet speichern und alles mit Metadaten versehen wenn doch Enterprise Search und Bigdata alles wiederfinden. Enterprise Information Management bindet die neuen Möglichkeiten ein und erlaubt so sowohl die geordnete Verwaltung mit Records Management  als auch die neuen Formen der Auswertung und Informationsbereitstellung mit Bigdata-Werkzeugen.

 

[Datakontext] Wie sehen Sie die Sonderstellung der Digitalen Personalakte in den Unternehmen?
[Ulrich Kampffmeyer] Personalakten sind im Prinzip nur eine besondere Ausprägung elektronischer Akten, die Dokumente strukturiert anzeigen und mit Informationen aus anderen Anwendungen anreichern. Eine besondere Stellung haben Personalakten durch den besonderen Charakter der gespeicherten Informationen und Dokumente, die geschützt und nur berechtigten Anwendern verfügbar gemacht werden dürfen. Das Berechtigungssystem hat hier eine besondere Bedeutung. Es muss zudem nachvollziehbar sein, wer wann welche Information einsehen und nutzen konnte. Informationen in der Personalakte müssen auch wieder gelöscht werden und die verwalteten Personen haben ein Recht zu wissen, was über sie gespeichert ist. Personalakten aus Systemsicht haben eine Zwitterrolle.  Einerseits werden sie als eigenständige Lösung angeboten, die teilautomatisiert Daten aus HR- und anderen Anwendungen übernimmt. Es setzt sich jedoch immer mehr der Ansatz durch, die Personalakte nur noch als Sicht auf die Dokumente und Informationen integriert in eine HR-Fachanwendung zu betrachten. Der Integration von Dokumententechnologien in diese HR-Anwendungen kommt daher die erwähnte besondere Bedeutung von elektronischen Personalakten zu. Sie ist dann nur noch eine strukturierte Sicht auf im Kontext zusammen gehörige und durch das Berechtigungssystem zugänglich gemachte Informationen. HRM Human Ressource Management nimmt in Verbindung mit den internen Social-Media-, Wissensmanagement-, Berechtigungs- und Identity-Management-Systemen selbst eine größere Rolle im Unternehmen und damit auch für das Informationsmanagement generell ein.

 

[Datakontext] Ist die Kritik noch berechtigt, dass die Unternehmen ihre Datenpools zu wenig für das Wohl der Mitarbeiter und des Unternehmens nutzen?
[Ulrich Kampffmeyer] Vielfach mag diese Kritik noch berechtigt sein, aber dies ändert sich zur Zeit gewaltig. Beim „Wohl“ des Mitarbeiters geht hier meines Erachtens nicht um  Systeme und deren Einsatz, sondern um die Unternehmenskultur. Gut ausgebildete Mitarbeiter sind eine wertvolle „Ressource“ – ein Begriff, der den Mensch en als Menschen eigentlich diffamiert – des Unternehmens, die gepflegt, gefördert und weiterentwickelt werden. Die Bereitstellung von Information verändert das Arbeitsleben und erlaubt damit auch neue Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn das Unternehmen den Mitarbeiter „lässt“ arbeitet er motivierter und identifiziert sich auch mehr mit „seinem“ Unternehmen. Für die Unternehmensseite ist festzustellen, dass durch die heute verfügbare Erschließungs- Auswertungs- und Bewertungs-Software vorhandene Informationen im Unternehmen aber auch Informationen von außerhalb vielfältig eingesetzt werden. Hierbei steht aber selten das „Wohl“ des Mitarbeiters im Fokus, sondern seine Steuerung und Kontrolle – häufig auch knapp am Rande des gesetzlich und moralisch Zulässigen. Die Daten des Unternehmens werden inzwischen als Wert und Wirtschaftsgut begriffen, die über den Erfolg und die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Es gilt also für beide Seiten, Unternehmen wie auch Mitarbeiter, die neuen Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen.

 

[Datakontext] Werden Unternehmen zukünftig für die optimale Nutzung und Auswertung der Daten verstärkt auf externe Dienstleister setzen oder diese einbinden?
[Ulrich Kampffmeyer] Der Einsatz externer Dienstleister ist für Personaldaten und –dokumente immer noch ein heikles Thema. Vielfach mag diese Kritik noch berechtigt sein, aber dies ändert sich zur Zeit. Beim „Wohl“ des Mitarbeiters geht hier meines Erachtens nicht um  Systeme und deren Einsatz, sondern um die Unternehmenskultur. Gut ausgebildete Mitarbeiter sind eine wertvolle „Ressource“ – ein Begriff, der den Mensch en als Menschen eigentlich diffamiert – des Unternehmens, die gepflegt, gefördert und weiterentwickelt werden. Die Bereitstellung von Information verändert das Arbeitsleben und erlaubt damit auch neue Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn das Unternehmen den Mitarbeiter „lässt“ arbeitet er motivierter und identifiziert sich auch mehr mit „seinem“ Unternehmen. Für die Unternehmensseite ist festzustellen, dass durch die heute verfügbare Erschließungs- Auswertungs- und Bewertungs-Software vorhandene Informationen im Unternehmen aber auch Informationen von außerhalb vielfältig eingesetzt werden. Hierbei steht aber selten das „Wohl“ des Mitarbeiters im Fokus, sondern seine Steuerung u nd Kontrolle – häufig auch knapp am Rande des gesetzlich und moralisch Zulässigen. Die Daten des Unternehmens werden inzwischen als Wert und Wirtschaftsgut begriffen, die über den Erfolg und die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Es gilt also für beide Seiten, Unternehmen wie auch Mitarbeiter, die neuen Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen.

 

[Datakontext] Welche Entwicklungen zeichnen sich im Bereich des Dokumentenmanagements ab?
[Ulrich Kampffmeyer] Dokumenrtenmanagement traditioneller Prägung wird durch die aktuellen Entwicklungen im Bereich neuer Oberflächen wie z.B. Apps, Cloud-Lösungen, mobiler Endgeräte usw. generell in Frage gestellt. Auf einem Mobiltelefon mit Dokumenten und Akten zu arbeiten ist mehr als unbequem. Wir erleben hier gerade die Auflösung des herkömmlichen Dokuments. Es wird zu Daten reduziert, die dann durch ein Layout den Charakter eines Dokumentes annehmen – sieht aus wie ein PDF-, Word- oder gescanntes Dokument, ist jedoch keine einzelne Datei mehr sondern ein Haufen Daten plus Metadaten und Strukturinformation. Die Funktionalität von Dokumentenmanagement wird weiterhin benötigt, zielt aber immer mehr auf die Verwaltung von beliebigen Informationsobjekten ab. Authentizität, Integriert, Originalität und andere Merkmale klassischer Dokumente bekommen in diesem Umfeld eine neue Bedeutung und bedürfen neuer Lösungen. „Das Dokument ist tot – es lebe das Dokument“.

 

[Datakontext] Was sind Ihrer Meinung nach im Jahr 2015 wichtige Events zum Thema?
[Ulrich Kampffmeyer] Hier muss man verschiedene Typen von Informationsangeboten unterscheiden. Neben die klassischen Messen mit Tagungscharakter wie CeBIT (März) oder DMS EXPO (September) treten andere, spezialisierte Angebote. Auf den genannten Großveranstaltungen ist die Personalakte nur ein Thema von vielen. Jedoch können dort die integrativen Aspekte mit der übrigen Unternehmenssoftware schnell erschlossen werden. Die zahlreichen auf Personal- und Personalakten-Software ausgerichteten Tagungen sind fokussierter, aber unter dem Gesichtspunkt Integrität und Synergieefeffekte häufig weniger tauglich. Für die Information-Management-Branche in Deutschland muss zu dem konstatiert werden, dass es in 2015 kein einheitliches Bild mehr am Markt gibt, da sich Branche und Events stark zersplittert haben. Erste Informationen zum Thema holt man sich heute sowie aus dem Internet.

 

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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