Business Process Management zur Automatisierung der Büroarbeitswelt

2. Mai 2013 10:49 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Auf der Competence-Site haben wir eine Diskussion zum Thema BPM angestossen: http://bit.ly/CS_BPM . Dabei geht es nicht nur um die technischen Aspekte sondern auch um die Auswirkungen der Automatisierung auf die Arbeitswelt. 

Die Durchdringung der Arbeitswelt mit Software macht vor keinem Bereich halt. Automatisierung, Steuerung und Kontrolle sind Grundlagen für schnelle, sichere Prozesse in der Bürowelt. Während in den Fabrikhallen Automatisierung bereits weitgehend Einzug gehalten hat, steckt sie im Büroalltag in den Kinderschuhen. Während Archivierung und Dokumentenmanagement bereits vielfach genutzt werden ist bei der Kommunikation immer noch die schwer nachvollziehbare E-Mail Standard. Collaboration und nicht-vordefinierte Arbeitsprozesse stellen für bisherige Konzepte von Workflow und BPM Business Process Management Herausforderungen dar. Aber es muss auch die Frage erlaubt sein, wie viel Automatisierung, Steuerung und Kontrolle ist der Arbeit und dem Verständnis von Arbeit in unserer Gesellschaft zuträglich. 

 

Frage 1:  BPM Business Process Management als Infrastruktur?
Einerseits gilt BPM als Bestandteil von Enterprise Information Management, andererseits positioniert sich aber BPM als eigenständige Disziplin.
Sind beide Ansätze falsch, ist BPM nicht einfach eine notwendige Infrastruktur moderner Informationssysteme, die Workflow- und Steuerungsfunktionalität im Untergrund allen Anwendungen zur Verfügung stellt? Scheitern eigenständige BPM-Werkezuge wenn es um Ende-zu-Ende-Prozesse über alle Anwendungen im Unternehmen geht? Wie muss sich BPM in eine moderne IT-Infrastruktur integrieren?

 

Frage 2: Braucht man vordefinierte Prozesse?
Die Definition von Workflow- und BPM-Prozessen mit nicht immer einfach zu bedienen Werkzeugen gilt als aufwändig und auch nicht für alle Prozesse geeignet.
Ist Collaboration mit „adhoc Workflow“ wirklich die Alternative zum vordefinierten Geschäftsprozess? Welche Bedeutung hat das steuernde, Informationen bereitstellende „Push“-Prinzip gegen über dem Information abholendem Ansatz, dem „Pull“-Prinzip? Wie viel Prozessunterstützung braucht man überhaupt noch wenn man z.B. mit strukturierten elektronischen Aktenarbeitet, bleibt da der Prozessgedanke auf der Strecke?

 

Frage 3: Welche Rolle spielen Standards bei BPM?
Prozesse werden häufig mit speziellen Design-Werkzeugen entwickelt und sind nur mit Einschränkungen in Laufzeitumgebungen übertragbar. Und auch diese Laufzeitsysteme sind häufig nur über individuelle Schnittstellen in die IT integrierbar.
Sind BPM-Werkzeuge zu insolierte Lösungen? Behindert sich BPM selbst durch die Vielzahl von Standards wie BPEL, BPMN, SPDL usw.? Ist BPMN 2.0 die erste Wahl wenn es um die Übertragbarkeit und Wiedernutzbarkeit von Prozessdefinitionen geht? Welche operativen Schnittstellen braucht es um BPM vollständig in die IT-Infrastruktur zu integrieren?

 

Frage 4: Wie kann man Prozesse offline steuern?
Besonders durch mobile Devices und die Nutzung des Webs entstehen neue Anforderungen an die Steuerung und Kontrolle von Prozessen.
Wie koordiniert, synchronisiert und kontrolliert man mit einer zentralen Ablaufsteuerung Prozessschritte, die auf Notebooks, Tablets oder Smartphones lokal ablaufen? Ist der Browser die bessere Alternative, da man hier in den zentral verwalteten Prozessen arbeitet. Stirbt der Steuerungs- und Kontrollansatz von BPM durch Apps und mobile Geräte einen langsamen Tod?

 

Frage 5: Wie wird Arbeit neu definiert? 
BPM ist ein wichtiges Werkzeug zu Steuerung, Nachvollziehbarkeit, Vereinheitlichung, Beschleunigung und Kontrolle von Arbeitsprozessen, nicht nur im Büro sondern übergreifend über alle Prozesse im Unternehmen.
Muss der Begriff „Arbeit“ neu definiert werden? Führt zu viel Automatisierung beim Einsatz von BPM zur „Entmündigung“ der Mitarbeiter? Geht Eigeninitiative und Kreativität verloren, wenn man versucht zu viel zu „managen“? Welche Rolle mit welchen Selbstverständnis nimmt der Mensch ein, wenn alle Prozesse und Tätigkeiten gesteuert und kontrolliert werden?

 

Zu den Antworten auf die Fragen geht es hier: http://bit.ly/CS_BPM.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

3 Kommentare zu “Business Process Management zur Automatisierung der Büroarbeitswelt

  • Frage 5: Die Zukunft der Arbeit
    10. Mai 2013 um 10:27
    Permalink

    Offenbar ist es "Frage 5", die im Roundtable "Business Process Management zur Automatisierung der Büroarbeitswelt" das meiste Interesse erweckt und in eine Grundsatzdiskussion zum Thema "Arbeit" mündet: http://bit.ly/Zukunft-Arbeit
     

    Dazu unser Kommentar:

    "Wir haben uns in der DMS/ECM/EIM-Branche jahrelang mit dem Argument getummelt, dass diese Systeme, ob nun BPM oder wie auch immer genannt, nur die monotone, "menschunwürdige", langweilige, fehlerträchtige, unwirtschaftliche Arbeit "wegnehmen". Die Leitlinien waren immer, es ist wirtschaftlich und es ist human. Wir rütteln aber inzwischen an den Grundfesten des Begriffes "Arbeit", ohne dass Philosophie, Psychologie, Sozialwissenschaft, Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft hierauf Antworten hätten. Das Thema wird zwar aus verschiedenen Blickwinkeln ausgeleuchtet, aber die gesamte Dimension ist noch nicht einmal ansatzweise erkannt (oder soll auch nicht erkannt werden). Dies gilt auch für die Frage, "braucht der Mensch Arbeit um glücklich und zufrieden zu sein?" (die aktuelle Gallup-Studie verneint dies offenbar, denn dort ist nur ein kleiner Prozentsatz mit seinem Arbeitgeber und seiner Arbeit zufrieden).

    Aber kehren wir erstmal vor unserer eigenen Haustür. Unsere Branche, die BPMer wie auch die ECMer, sind meistens nur vom funktionalen, technischen und organisatorischen an das Thema "Arbeit" herangegangen. Wir haben in Analysen versucht, den Begriff Arbeit mit Meßwerten udn Kennzahlen zu versehen – immer unter dem Gesichtspunkt, wie geht es schneller, komfortabler, sicherer, Service-orientierter, kostengünstiger. Fokus war meistens nicht der Mensch in seiner Rolle als Mitarbeiter sondern das Unternehmen, das letztlich schneller und besser agieren will. Der Homo Buerocraticus sollte verschwinden – so auch mein Credo in einem meiner Vorträge im vergangenen Jahrtausend. Betrachtet man die Automatisierung nebst Steuerung und Kontrolle als Mittel dazu, dann sind wir in industriellen, logistischen und agrarischen Prozessen schon sehr weit fortgeschritten. Die Automatisierung der Arbeit durch Maschinen und Software verdrängt den Menschen mehr als neue Arbeit geschaffen werden könnte. Und manche der neuen Formen von Arbeit sind nur künstlich angelegt, um uns den Eindruck zu geben, wir hätten was zu tun. In den Büros steht das "papierlose Büro" als Sinnbild für die Automatisierung immer noch am Anfang. Gerade vor der Änderungen von Prozessen, dem klassischen BPM-Thema, scheute man häufig zurück, weil neue Prozesse, besonders die technisch unterstützten, eben starke Implikationen auf Organisation und Mitarbeiter haben. Man saß das Problem zum Teil auch aus und hofft auch die neue Generation, die mit den "modernen Technologien" großgeworden ist – doch ist diese denn "fit" für diese Situation? Büros mit Medienbrüchen und insularem Technologieeinsatz – ohne Workflow, ohne Collaboration-Software, ohne elektronische Archivierung, ohne ECM, ohne elektronische Akte – sind genaugenommen die letzten noch vorhandenen Paradiese der menschlichen Arbeit, Oasen des Wohlfühlens, wo menschliche Arbeit noch einen Sinn hat, wo man sozial interagiert, wo man Zuhause ist, wo der Mensch noch Mensch sein darf. Und wie sehen dies unsere "Visionen" vom "Arbeitsplatz der Zukunft"?
    Es wird Zeit für eine Aufarbeitung der Auswirkungen der Informationsgesellschaft und der industriellen Automatisierung – und dazu gehört auch ein neues Verständnis für "Arbeit" jenseits bestehender Definitionen. Wir können in der vernetzten, virtualisierten, allgegenwärtigen elektronischen Welt nicht mehr mit den Maßstäben der analogen Welt argumentieren. Wir brauchen ein Verständnis aus der anderen Sicht, denn das menschliche Selbstverständnis ist inzwischen in Gefahr. Über Jahrtausende hat sich der Mensch durch seine Tätigkeiten definiert, seine Rolle, seine Jobs. Die Bedeutung des einen guit bezahlten, sinnvollen "Job-habens" bestimmt auch heute noch unsere Generation. Wir üben zwar mit neuen Arbeitsmodellen und Arbeitsformen – aber das Grundverständnis von Arbeit und der Bedeutung von Arbeit für das menschliche Selbstverständnis haben wir noch nicht er"arbeit"et. Eine neue Definition von Arbeit (wobei es auch eine Frage ist, an welchem Verständnis des Begriffes "Arbeit" man ansetzen muss; siehe unten) ist erforderlich. Die Rolle des "arbeitenden" Menschen in der hochtechnisierten Welt muss neu definiert werden.

    Und das Thema "Risiko-Management" in Bezug auf die Grundlagen dieser neuen Arbeitsweltordnung basierend auf scheinbar grenzenloser Verfügbarkeit von Ressourcen und Energie, stabiler Kommunikationsinfrastruktur und vernünftigen politischen Organsiationseinheiten darf nicht vernachlässigt werden. Die neue Welt der Arbeit ist volatil und dem was unsere anthroplogisch/biologische/psychologische Genese und Disposition angeht völlig von jenseits von Gut und Böse.

    Nun ist es auch an der Zeit, dass unsere "EIM/DMS/ECM/E2.0/SocBiz/BPM"-Branche einmal über ihre eigene Verantwortung für diese Veränderung nachdenkt. Denn wir mit unseren Projekten verändern gerade im Büroumfeld die letzten "Paradise" individueller Arbeit in automatisierte Industrielandschaften. Denn jenseits des "papierlosen Büros" dräut längst das "menschenlose BÜro" wo sich nur noch Software mit anderer Software "unterhält", Bestellungen auslöst, Verträge schließt, Fabriken anwirft, Konsumenten auf ihren Coachs mit Chips und braunem Saft eindeckt. Automatisierung, gerade auch bei Geschäftsprozessen, wird über das Überleben von Unternehmen entscheiden. Ist man noch schnell genug am Markt, ist man wettbewerbsfähig, ist man innovativer – aber der Mensch bleibt dabei auf der Strecke.

    Der Begriff Arbeit bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeit
    # Arbeit (Betriebswirtschaftslehre), Komponente der Produkterzeugung
    # Arbeit (Philosophie), das bewusste schöpferische Handeln des Menschen
    # Arbeit (Physik), Energiemenge, die bei einem Vorgang umgesetzt wird
    # Arbeit (Sozialwissenschaften), bezahlte Erwerbstätigkeit und unbezahlte Reproduktionsarbeit
    # Arbeit (Volkswirtschaftslehre), einer der Produktionsfaktoren
    # Erwerbstätigkeit, Tätigkeit, mit welcher der menschliche Lebensunterhalt bestritten werden kann
    # Klassenarbeit, Leistungskontrolle in der Schule
    # Kunstwerk (z. B. „die Arbeit des Künstlers“)
    # Lohnarbeit, nach der Form des Entgelts, für Arbeiter (in Unterscheidung zum Gehalt des Angestellten)
    # wissenschaftliche Arbeit, Produkt einer Forschungstätigkeit"

     

    Antwort
  • BPM Roundtable findet großen Zuspruch
    29. Mai 2013 um 16:46
    Permalink

    Unser Roundtable zu BPM auf der Competence Site ( http://bit.ly/BPM-Roundtable ) erfreut sich großen Zuspruchs. Kommentare und Hinweise gab es bisher von Martin Bartonitz (OPTIMAL SYSTEMS GmbH), Andreas Mucke (Inspire Technologies), Sascha Rauschenberger (COLLOGIA Unternehmensberatung AG), Gregor Joeris (SER Solutions Deutschland GmbH), Sven Schnägelberger (BPM&O GmbH), Thomas Müller (Topcom Kommunikationssysteme GmbH),Thomas Rychlik (agentbase AG), Herbert Kindermann (Metasonic AG), Lars Drexler (Open Text Software GmbH) und Robert Hutter (PROLOGICS IT GmbH).

    Wer mitmachen will, eigene Ideen und Erfahrungen einbringen möchte, kann gern dort posten: http://bit.ly/BPM-Roundtable

    Antwort
  • Arbeit muss neu definiert werden!
    12. November 2013 um 18:58
    Permalink

    Immer häufiger mehren sich die kritischen Stimmen, dass uns durch Automatisierung immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen. Business Process Management, Business Intelligence, automatische Klassifikation, Austausch automatisch verarbeitbarer Nachrichten – all dies sind Merkmale der Veränderungen. Drei große Faktorenbündel bestimmen den Wegfall herkömmlicher Arbeit im Büro:
    (1) "Selbstbedienung" durch den Kunden oder Geschäftspartner,
    (2) "Automatisierung" und Integration verschiedener Systeme zu autarken Verarbeitungslösungen und
    (3) selbst-optimierende "Prozesssteuerung" und Prozesskontrolle.
    In der Industrie längst vorexerziert greift die Automatisierung auch in die Bürowelt über. Es wird weniger Arbeit geben, besonders für Menschen die bisher einfache, repititive Tätigkeiten mit geringer Wertschöpfung ausgeführt haben. Da wir uns in unserer Gesellschaft vielfach und vielfältigst über unsere Arbeit definieren muss bedingt durch den Wegfall von herkömmlicher Arbeit der Begriff Arbeit und die Arbeit selbst neu definiert werden. Wir schlittern in eine ungesteuert in eine Situation, die an den Grundlagen des persönlichen Selbstverständnis eines Jeden von uns rührt.                
    Hierzu hatten wir vor einigen Monaten bereits eine Diskussion auf der Competence-Site. Dort ging es in "Frage 5" genau um dieses Thema – was ist die Zukunft der Arbeit": http://bit.ly/Zukunft-Arbeit
    Ulrich Kampffmeyer

    Antwort

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