AIIM Studie zu Process Automation

27. Juni 2020 18:38 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


AIIM international veröffentlicht in kurzer Abfolge Whitepaper, Studien, Tipp-Sheets und andere Dokumente zu Themen des Informationsmanagements. Diesen Sommer war eine interessante Marktuntersuchung dabei, die John Mancini, der ehemalige Präsident der AIIM herausgegeben hat: „The Ultimate Guide to Improving Your
Business Processes | Process Automation and RPA
„. Passend dazu gibt es auch ein Video (15 Min).

OK, der Titel ist etwas „typisch US-Marketing-Sprache“, aber die Studie gibt wenigstens kostenfrei nebst Anrufen der sponsernden Anbieter gegen Überlassung der üblich persönlichen Daten. Im Prinzip ist die Studie ein Folienset mit 35 Slides, von denen ein Gutteil weggeht für Titel, Impressum, Sponsoren-Profile und Bilder. Einige der enthaltenen Statistiken sind jedoch für die Entwicklung und Auffassung von Case Management Workflow, Business Process Management und Robotic Process Automation von Bedeutung.

Gerade das letztgenannte Thema, RPA, Robotic Process Automation wird aktuell sehr gestresst und auch gern mit dem Thema KI Künstliche Intelligence vermengt. Dabei sind die meisten Lösungen am Markt regelrecht „altbacken“: die Software beobachtet die Tätigkeiten eines Benutzers und lässt sie dann per Rekorder bei bedarf wieder automatisch ablaufen. Automatisierung durch Nachahmung: Ist die Vorlage schlecht so ist auch der automatisierte Prozess schlecht. So etwas hatten wir schon in der Vergangenheit mit „Rekordern“ auf dem Desktop. Es geht bei RPA nicht mehr um gut vorgedcahtes Design von Prozessen wie beim BPM Business Process management, sondern man versucht einfach die Unzulänglichkeiten unterschiedlicher User-Interface und Anwendungen durch Nutzer-bezogene Automatisierungswerkzeuge zu überwinden. Man kann auch sagen, schnelle Erleichterung statt langfristiger Verbesserung.

AIIM Industry Watch

Bei dem Dokument handelt es sich um eine klassische Industry Watch Studie, die von Anbietern – in diesem Fall bizagi, intalio, KnowledgeLake, Kofax und miria – gesponsert wird. Den Sponsoren stehen dann auch die viel interessanteren Daten als die wenigen Grafiken im Text zur Verfügung. Die Befragung, natürlich bei vielen Personen, die sowieso mit solchen Lösungen zu tun haben (sic!), fand mit 262 vorqualifizierten Teilnehmern im April 2020 statt.

Mit realen Ergebnissen, geht es erst auf Seite 9 los: Why Is Process Automation Important?

Natürlich hat sich auch bei den Prozessen, an die man zuerst herangeht, nichts zur Vergangenheit verändert. Es geht um die „Production“ Prozesse, die von vielen Mitarbeitern immer gleich und mit nachvollziehbaren Ergebnissen absolviert werden. Es geht, ganz klar, um Kunden, den Kunden-Service, um Geld, wie Kosteneinsparung und um Beschleunigung. Dies war schon immer der Hauptangriffspunkt für Workflow und BPM – nur dass es mit RPA jetzt vielleicht leichter, dezentraler und ohne vorheriges, aufwändiges Design geht. Bei „ad hoc“ Prozessen ist es schon schwieriger, da diese eine höhere Individualität haben und sich auch hier eine Überlappungszone zu kollaborativen Prozessen, bzw. Collaboration generell ergibt. Hier wird RPA fast ausschließlich zum persönlichen Unterstützer ohne dass sich hieraus eine Unterstützung einer generellen Prozessstrategie im Unternehmen ableiten ließe. John Mancini erzählt in seinem WebCast auf Youtube dazu anderes aus US-amerikanischen Sicht. Alles schön, alles neu, alles so interessant.

Where You START Depends on Where You ARE.

Das ist nun mal eine Binsenweisheit. Guckt man sich die Grafik mit der Abfolge der Schritte an, hat man ein déja vu: das Vorgehensmodell gab es doch schon immer, auch bei der AIIM in den Masterkursen, im Mike2-Modell.

Natürlich muss man auch Automatisierungsprojekte sorgfältig planen, auch wenn die Anwender gerade bei RPA versprechen, es gehe alles wie von selbst. Automatisierung weckt häufig falsche Hoffnungen. So ist es auch interessant, dass von den 153 befragten Organisationen rund 58% relativ neu bei Themen wie Case Management (unsere altgeliebte Vorgangsbearbeitung mit elektronischen Akten), Business Process Management und Robotic Process Automation sind. Das war schon in den Frühzeiten von ECM so, da die Veränderung von Prozessen und damit der gewohnten Arbeitsweisen von Menschen schon immer die schwierigste Aufgabe war. So beinhalten auch die Grafiken auf Seite 14 kaum eine Überraschung:

Immer noch die alten Argumente und Lücken: Kosten, Kompetenzen, Vermittlungsprobleme, Ängste, Vorteile und besonders – im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich unverständlich – das Auseinanderklaffen von IT und Business. Das hören wir nun auch schon seit 40 Jahren. Letztlich sind aber die größten Hindernisse wieder die Kosten und die fehlenden Ressourcen (und versteckt, die fehlende Bereitschaft zur Veränderung), die der Modernisierung der Prozesse im Wege stehen.

Eight Things Potential Users Should

in einer US-amerkanisch dominierten Studie darf natürlich nicht die Liste der guten Ratschläge fehlen, was die Anwender als nächstes tun sollten. An die „8 Things“ vor Jahren erinnern, acht Ratschläge von den Befragten (viele sind AIIM-zertifizierte CIPs Certified Information Professionals und manche Meinung könnte direkt aus dem Schulungsmaterial stammen), und John Mancini. Auch hier nur wieder die üblichen Allgemeinplätze.

Natürlich muss man gerde hier darauf achten, an wen richten sich die Empfehlungen. An der Planer auf Unternehmensebene, der trotz Automatisierung Übersicht und Kontrolle behalten will, oder an den Endanwender, der ein kleines Automatisierungswerkzeuge für seine eigene Prozessgestaltung erhält. Natürlich, wie auch bisher bei Production Workflow, Business Process Optimization und Business Process Management an den Planer.

Lessons Learned from Industry Leaders: How Experienced Users “Push” the IIM Envelope

Hier wird dann neben den Erfahrungen von „experienced users“ (die „Planer“ oder die „Endanwender“?, siehe oben) auf das Thema IIM Intelligent Information Management abgehoben. Ja, BPM und RPA und Case Management gehören (schon immer zu ECM und EIM) auch zu IIM. Intelligent Information Management wird hier als der „Große Umschlag“ betrachtet und die Intelligenz soll sich dann in der von Künstlicher Intelligenz unterstützten Automatisierung widerspiegeln.

In der Übersicht, welche Technologien im produktiven Einsatz sind – Case Management, BPM und RPA – zeichnet sich selbst bei der handausgewählten Insidern, dass 2/3 noch arg in der Vergangenheit bewegen. Dabei werden Workflow, BPM und Automatisierung seit 30 Jahren promoted. Wenn das so wäre, dann wäre es echt ein Trauerspiel. Aber vielfach wird vergessen, dass sich eben Automatisierung außerhalb der klassischen ECM/EIM/IIM/RPA/RMDMS … Welt abspielt – in ERP-, HR, CRM-, eBusiness- und anderen Softwaresystemen. Im Umfeld von IIM werden nur Vor- oder Seitenprozesse abgedeckt. RPA böte hier die Chance wieder mehr Nutzen zu bringen, in dem mit RPA unterschiedliche Anwendungen zusammengeführt werden, ohne dass man groß auf Server-Ebene Lösungen, Middleware und Schnittstellen bauen müsste. Dass es aber um RPA nicht ganz so toll steht, zeigt ein Ausschnitt auf der Folgefolien: RPA ist die am wenigste entwickelte von drei aufgeführten Automatisierungstechniken (gemeint sind BPM und Case Management). Ist ja auch klar – ist die zuletzt gehypte Technologie.

Six Things Potential Users Can Learn from Experienced Users

Und wieder eine kleine Liste, was Neulinge schönes lernen können (von denjenigen, bei denen bisher nur Piloten und 25% Abteilungslösungen laufen? Von den Endanwendern oder den Planern der Projekte?). Nun gut -auch hier eine Liste längst bekannter Dinge:

Das wars auch schon an Auswertungen und Empfehlungen. Huch. Bei dem Ultimativen Guide hätte man sicher mehr erwartet. Immerhin nimmt die Studie direkten Bezug auf das Thema Einführung und Nutzung. Sie hält sich nicht damit auf, wer was für Funktionalität wo hat. Allerdings hätte man sich gewünscht, dass man mehr auf Nutzen, Einsatzfelder, Unterschiede etc. der drei hier vermengten Automatisierungstechnologien – Case Management, Business Process Management und Robotic Process Automation – eingegangen wäre. Dabei gibt es handfeste Unterschiede und Einsatzszenarien. Case Management zielt auf Sachbearbeitung, Vorgangsbearbeitung, strukturierte Akten mit Workflows. BPM Business Process Management will optimierte Prozesse vorbereiten, unterschiedliche Anwendungen mit ihren Daten und Dokumenten zusammenführen, Prozesse steuern, bewerten und teilautomatisiert optimieren. RPOA Robotic Process Automation greift dagegen direkt auf dem Arbeitsplatz, dem Client, des Anwenders an und automatisiert dort einzelne Arbeitsschritte über verschiedene Anwendungen ohne aufwändige Process-Engines auf Server-Ebene. Es geht also noch nicht einmal um das richtige Tool (siehe oben 03) sondern um die richtige Strategie und Methode, welches Geschäftsziel soll durch Automatisierung erreicht werden.

Final Thoughts: The Link Between Process Automation and Transformation Success

In den finalen Gedanken werden einige Aspekte der Digitalen Transformation unter den Gesichtspunkten von Intelligent Capture (Schwerpunkt automatische Erfassungs- und Klassifkationsprozesse), Customer Journey (eher keine Thema für Inhouse-Prozesse sondern für die Benutzerführung in Portalen und auf Webseiten sowie BI und Analytics), Robotic Process Automation (die Weiterführung der Workflow-Ideen mit einfacheren Automatisierungseffekten) und Agile Development (auch kein klassisches ECM-Thema). Aber Agile Development ist eines der Argumente für den Erfolg von Robotic Process Automation – einfache Einführung ohne aufwändige Programmierung und möglichst noch selbstlernend (um KI nicht zu vergessen). Diesmal nicht als Empfehlungen formuliert sondern als Fragen, wo man denn Automatisierung sinnvoll einsetzen könne.

Im letzten Kapitel der Studie wird noch in einer der typischen US-amerikanischen „Alles-auf-einer-Folie“-Darstellung die 10 wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst:

Für einen schnellen Überblick reicht diese eine Folie mit der Nummer 29. Danach kommt nichts Wesentliches mehr.

Man hätte mehr aus diesem Thema machen können. Aber hübsch gestaltet war es schon, wobei allerdings der Sinn einer Folienpräsentation mit massiver Text- und Detailüberlastung arg strapaziert wird.

Wer mehr wissen will, hört sich den WebCast auf Youtube an oder lädt sich die Studie herunter.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

Neuen Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Ich stimme zu, dass die von mir eingegebenen Daten einschließlich der personenbezogenen Daten an PROJECT CONSULT übermittelt und dort zur Prüfung der Freischaltung meines Kommentars verwendet werden. Bei Veröffentlichung meines Kommentars wird mein Name, jedoch nicht meine E-Mail und meine Webseite, angezeigt. Die Anzeige des Namens ist notwendig, um eine individuelle persönliche Kommunikation zu meinem Beitrag zu ermöglichen. Anonyme oder mit falschen Angaben eingereichte Kommentare werden nicht veröffentlicht. Zu Nutzung, Speicherung und Löschung meiner Daten habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

Ich versichere, mit meinem Kommentar alle gültigen Vorgaben des Urheberrechts beachtet zu haben. Ich habe keine Bilder, Grafiken, Texte oder Links in meinem Beitrag verwendet, die durch CopyRight, Leistungsschutzrecht oder Urheberrecht geschützt sind. Für den Inhalt meines Kommentars bin ich trotz Prüfung und Freischaltung durch PROJECT CONSULT ausschließlich selbst verantwortlich. Meine Rechte am Beitrag werden bei PROJECT CONSULT nur durch die CC Creative Commons by-nc-nd Vorgaben gewahrt.