Vernichtung gescannter Belege nur bei Verwendung der elektronischen Signatur zulässig?

25. November 2011 10:34 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Wieder einmal hat die Signatur-Lobby in Deutschland zugeschlagen. Zumindest scheint dies nach einer aktuellen Ankündigung des BZSt Bundeszentralamt für Steuern so. In einer vorläufigen Regelung für die Aufbewahrung von digitalisierten Papierdokumenten kommt auch wieder die elektronische Signatur zum Tragen. Es geht generell um eine neue Qualität, denn es handelt sich um steuerrelevante Dokumente.

Es geht um zwei Vorgänge: einerseits um Vorgaben nach SRVwV zur Vernichtung von Dokumenten im Umfeld des Kindergeldes.

"Sechs Monate nach dem Scannvorgang können die Unterlagen künftig vernichtet werden. Die gescannten Papierdokumente sind als qualifizierte Dokumente in der eAkte abzulegen. Die qualifizierte Signatur des gescannten Papierdokuments dient als Nachweis für einen ordnungsgemäßen Scann-Vorgang."

 

Quelle BZSt vom 28.9.2011, St II 2 – S 2280 – PB 11/00017; siehe auch Haufe.de, 21.11.2011.

 

Das BZSt hat einen Weg gewählt, der sich an der SRVwV orientiert. Beim Scannen von Dokumenten im Bereich der Sozialiversicherungsträger ist die qualifizierte elektronische Signatur als Nachweis der Originalität, Vollständigkeit, Lesbarkeit und Richtigkeit zu verwenden.

 

Es handelt es sich bei den betroffenen Dokumenten aber offenbar um steuerrelevante Belege – Bundeszenrtralamt für Steuern – und hier darf in Bezug auf andere "steuerlich" relevante Belege nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. In der freien Wirtschaft und bei anderen Institutionen gelten HGB, AO und GoBS. Dort ist keine elektronische Signatur von Nöten! Mit der Verlautbarung des BZSt bekommt die Diskussion um das Scannen mit elektronischer Signatur eine neue Dimension!  

 

Wenn es generell um steuerrelevante Dokumente und den Zeitraum nach dem Scannen, in dem Dokumente zum Prüfen, Nachscannen etc. noch vorgehalten werden sollen, geht, dann muss der Begriff "qualifiziert" anders betrachtet werden als  "qualifiziert elektronisch signiert". Qualifiziert ablegen in einer eAkte kann  auch heißen, revisisionssicher ablegen – geprüft, vollständig, richtig, indiziert, im Sachzusammenhang, per Datenbank erschlossen.

 

Im kaufmännischen Bereich gelten HGB, AO, GoBS und GDPdU. Hier war auch bisher der Begriff "ordnungsmäßig" angesiedelt, der nun in den Zusammenhang mit der elektronischen Signatur gerückt wird. Im HGB- und GoBS-Umfeld kommt die elektronische Signatur beim Scannen und auch bei der Ordnungsmäßigkeit nicht vor. Die qualifizierte elektronische Signatur als Pflichtvorgabe wurde sogar bei der elektronischen Rechnung zum 1.7.2011 abgeschafft. Greift die Formulierung des des BZSt generell für das Scannen von steuerrelvanten Belegen im Sinne von "ordnungsmäßig", dann sind tausende, ja zehntausende elektronische Archive nicht mehr revisionssicher. Es müsste überall beim Scannen (und auch beim Fotographieren von Belegen mit Smartphones sowie beim Faxen von Belegen) die qualifizierte elektronische Signatur nachgerüstet werden.

 

Dies ist Wahnsinn, der keinen Nutzen bringt (außer den Anbietern elektronischer Signaturen). Die Prozesse werden teurer und komplizierter. Angestrebte Erleichterungen des Steuervereinfachungsgesetzes werden dadurch konterkariert. Die Forderung nach der qualifizierten elektronischen Signatur ist ein absoluter Rückschritt. Dies gilt sowohl für kaufmännische Dokumente als auch für die seit längerem bestehende Regelung für Dokumente im Geltungsbereich der SRVwV.

 

Das keiner der Verfasser über die Konsequenzen nachgedacht hat, zeigt das Ignorieren des Scannens ohne Indizierung am entfernten Ort (sprich Fax und Mobile). Auch kann man elektronische Signaturen nicht drucken – auch wenn dies als Möglichkeit zur Vorlage von Belegen vorgesehen ist.

 

DIESE REGELUNG GEHÖRT SOFORT GEÄNDERT!

 

Der Satz "Die qualifizierte Signatur des gescannten Papierdokuments dient als Nachweis für einen ordnungsgemäßen Scann-Vorgang." ist ersatzlos zu streichen! Stattdessen sollte eine Erklärung der Archivierung im Sinne der Revisionssicherheit aufgenommen werden.

 

Auf XING in der Gruppe "Information & Document Management" gibt es auch einen Diskussionsthread zum Thema!

 

 

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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