Unbrauchbare ECM-Marktstudien

17. August 2022 10:12 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Immer wieder erscheinen „Studien“, „Reports“, „Marktanalysen“, „Anbieterübersichten“ und ähnliche Werke zum Marktsegment Information Management. Während sich die großen Analystenhäuser wie Forrester und Gartner vom Begriff ECM Enterprise Content Management verabschiedet haben, gibt es weiterhin zahlreiche Berichte, die auf ECM fokussieren. Manche dieser Studien schätzen wir allerdings als wenig hilfreich oder gar als unseriös ein. Als Beispiele nehmen wir einfach einmal folgende Marktstudien vom Juli 2022:

Global Enterprise Content Management (Ecm) Software by Type (Cloud based Ecm, and On-Premises Ecm), by Application (Communication, Retail, Transportation, and), by Regions and Key Companies – Industry Segment Outlook, Market Assessment, Competion Scenario, Trends and Forecast 2019 – 2028″ (https://market.us/report/enterprise-content-management-ecm-software-market/#overview). Beworben auch auf Newswires als „Enterprise Content Management (ECM) Software Market 2022 Size, Business Growth, Demand, and Forecast to 2031https://www.einnews.com/pr_news/583000355/enterprise-content-management-ecm-software-market-2022-size-business-growth-demand-and-forecast-to-2031.

Die Gliederung der Studie erscheint zunächst sehr sauber und verspricht viele Information. Als Kern wird von einem Marktwachstum für ECM Enterprise Content Management von 47290 Millionen US$ auf 105560 Millionen US$ in 2026 gesprochen. Der CAGR wird mit 25.7% vorausgesagt. Schöne, vermeintlich sehr konkrete Zahlen. Die Studie, Ausgabe 2022, soll den Einzelbenutzer 4499 US$ kosten.

Werfen wir aber den Blick auf eine zweite ähnliche Studie.

Bei EMR Experts Market Research findet sich eine Studie „Global Enterprise Content Management Market: By Type: Document Management System, Web Content Management, Document-Centric Collaboration, Others; By Service; By Deployment Mode; By Organisation Size; By Industry; Regional Analysis; Historical Market and Forecast (2017-2027); Competitive Landscape; Industry Events and Developments“ (https://www.expertmarketresearch.com/reports/enterprise-content-management-market). Ein ebenso langer Titel, alle Schlagworte abdeckend, wie unser Beispiel 1 oben.

Es wird ein anderer, geringfügig abweichende Forecast-Zeitraum angegeben. Auch hier eine ausführliche Gliederung und im Web-Eintrag eine Reihe aussagekräftig aussehender Grafiken. Allerdings wird hier der Forecast nur mit einem Wachstum von CAGR 14% angegeben. Der Blick auf die zugehörige Grafik lässt die deutlichen Auswirkungen im Markt, z.B. durch Corona und neue Trends, vermissen – einfach eine gerade ansteigende Linie gezeichnet – banal, aber halt eine Grafik. Die Webseite ist schon aussagekräftiger als die Bewerbung bei Beispiel 1. Für den Einzelbenutzer kostet die Studie 2699 US$.

Warum PROJECT CONSULT solche Studien nicht nutzt

In unserem Blog und in unseren News haben wir vielfach Reports von Analystenhäusern besprochen. Viele haben nachvollziehbare Kriterien und lassen sich so nutzbringend nutzen. Daneben gibt es aber eine Flut von Reports zweifelhafter Güte. Meistens wird gegen Hinterlassen der Adressdaten ein „Sample“, also ein Muster, angedient. Dann wird man die Quälgeister, häufig aus Indien, nicht mehr los. Solche Studien werden massenweise für unterschiedliche Lösungskategorien und Märkte produziert. Angeboten werden sie mit leicht abweichenden Titeln über verschiedene Vermarktungskanäle. Manchmal ist nicht mehr erkennbar, wer eigentlich der echte Autor, das Analyseunternehmen, ist.

Aber auch schon die Zusammenfassungen und Werbe-Beiträge in der Internet-Presse lassen an der Seriosität zweifeln. Nehmen wird die erste Studie. Hier werden die Anbieter EMC, IBM, Microsoft, Open Text, Oracle, Adobe, Alfresco, EPiServer, Ever Team und Fabasoft als „Mayor Market Player“ besprochen. EMC, Oracle und Adobe bieten kein ECM mehr an. Alfresco und Ever Team sind längst verkauft und in anderen Anbietern aufgegangen. Die wichtigen aktuellen Anbieter fehlen. Schon aus dieser Sicht ist die Studie veraltet und unbrauchbar.

Die zweite Studie von EMR sieht etwas aktueller und besser aus. Hier werden auf Marktführer Unternehmen wie IBM, Xerox, Microsoft, SAP, M-Files, Epicor und andere aufgeführt. Aber auch hier ist die Stichprobe global bezogen zu gering um zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen. Sie erscheint in der Bewerbung seriöser als Beispiel Nr. 1.

Grundsätzlich stellt bereits der Anspruch „Global“ ein wesentliches Problem dar. Für den Markt in Deutschland ist der Rahmen einfach zu weit gefasst und regionale Unterschiede gehen einfach unter. Viele der aufgeführten Anbieter spielen in Deutschland wie auch in Europa keine Rolle. Hinzu kommt viel Copy & Paste von allgemein frei im Internet verfügbaren Informationen.

Ein weiteres grundsätzliches Problem ist die Zielgruppe. Eine solche Studie mag vielleicht für einen Anbieter zum Thema Wettbewerbspositionierung interessant erscheinen – hat aber hierfür zu wenig Tiefe in Bezug auf Funktionalität, Märkte usw. Für Endanwenderorganisationen sind solche Studien irrelevant, da sie keine Hilfestellung bei Auswahl und Bewertung von einzelnen Produkten liefern. Hier ist immer eine detaillierte Betrachtung auf Basis der Anforderungen, Infrastruktur, Nutzungsmodelle und IT-Strategie des Anwenderunternehmens erforderlich.

Nimmt man diese Argumente zusammen – fehlende Aktualität, angeblich globale Abdeckung mit großer Datenbasis, intransparente Methodik und hohe Preise – dann kann man diese Studien nicht als seriös einstufen.

Was ist aber Ihre Meinung zu diesen und anderen Studien? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar!

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

Ein Kommentar zu “Unbrauchbare ECM-Marktstudien

  • Unerreichbare Marktstudien ... ;)
    16. September 2022 um 11:33
    Permalink

    Oben haben wir über ungeeignete Marktstudien geschrieben – heute einmal ein Ausblick auf eine „nicht erreichbare“ Marktstudie – es sei denn, man ist bereit 15.000 US$ auszugeben. Gemeint ist diesmal die Studie „IDC MarketScape: Worldwide Robotic Process Automation Software 2021–2022 Vendor Assessment“ (https://www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=US45922220). Es ist das erste Mal, dass IDC sich auch diesem Markt zuwendet. Gartner, Forrester und andere evaluieren hier schon länger. Die Entwicklung im RPA-Marktsegment ist äußerst interessant – dynamisch, Einsatz neuer Lösungen basierend auf KI K+ünstlicher Intelligenz und weitgehende Automatisierung von Prozessen. Einen Einblick in die Studie und ihre Methodik gibt der Auszug, der auf der Webseite von UIpath heruntergeladen werden kann: https://www.uipath.com/de/resources/automation-analyst-reports/idc-marketscape-worldwide-robotic-process-automation-software. Berücksichtigt ist in dem Auszug natürlich nur UIPath und nicht die anderen gelisteten Anbieter wie Automation Anywhere, Kryon, Edge Verve, Blue Prism oder Kofax. Ziel solcher teuren Studien sind offenbar nur die Anbieter (oder Großunternehmen, die beim Analystenhaus einen regelmäßigen Service gebucht haben), die ihrerseits solche Einschätzungen und Bewertungen für Werbezwecke benutzen. Hier zumindest die grafische Darstellung aus der IDC-Studie:

    IDC MarketScape Worldwide Robotic Process Automation Software 2021-2022 Vendor Assessment

    Antwort

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