Status OZG und eAkte 2020

29. September 2020 10:16 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Zu viel und zu viel auf einmal?

eAkte, OZG Portal, XRechnung, EU-Ausschreibung, DSGVO, standardisierte IT-Infrastruktur …

Deutschland liegt im europäischen Vergleich beim Thema E-Government mit Digitalisierung der internen Abläufe und Bereitstellung digitaler Dienste für die Bürger und Unternehmen in den letzten Jahren weit hinten. Im letzten europäischen E-Government-Survey belegt Deutschland nur Platz 21.

Inzwischen wurden Milliarden-Spritzen für die Umsetzung des Vorhabens OZG Onlinezugangsgesetz bewilligt.

Laut OZG-Anforderungen müssen 575 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene digitalisiert werden. Und dann bedarf es noch einer geeigneten IT-Infrastruktur, damit diese Services genutzt werden können. Daneben müssen auch die internen Prozesse digitalisiert und zumindest auf die Nutzung digitaler Akten umgestellt werden.

Der aktuelle Plan der Bundesregierung und der Bericht zum Stand des Bürokratieabbaues lassen ebenso wie die aktuellen Daten zur Umsetzung des OZG Onlinezugangsgesetzes im Bericht des Normenkontrollrates „Monitor Digitale Verwaltung #4“ für 2020 noch wenig erkennen.

Der Monitor Digitale Verwaltung #4 schreibt selbst hierzu „Halbzeit beim OZG: Noch ist nicht viel zu sehen – Wir brauchen Transparenz über den Umsetzungsstand und dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren.“ und „Noch ist wenig zu sehen. Unklar ist, bis wann welche Online-Leistung in welcher Form zur Verfügung steht. Wir brauchen mehr Transparenz und ein präzises politisches Monitoring. „. Angeblich sind aber die Terminpläne nicht gefährdet. 

Auch die zweite Überschrift im Monitor Digitale Verwaltung zeigt klar das Manko auf: „Die Konjunkturmilliarden können helfen, aber Geld allein macht nicht glücklich – Wir müssen Komplexität reduzieren und wettbewerbsfreundlich standardisieren.“  Es fehlt an ausgebildeten Personal, standardisierten Prozessen, Wegräumen bürokratischer Hindernisse und zu großer gewachsener, heterogener Komplexität der Arbeitsweisen und vorhandenen Lösungen. Standardisierung in  einer föderalen Verwaltung ist schwer möglich. 

Der Wunsch nach einem „Digital TüV – „Digitalisierung fängt beim Gesetzentwurf an – Wir müssen die Vollzugs- und Digitaltauglichkeit unserer Gesetze verbessern und mit einem Digital-TÜV systematisch kontrollieren. „ – nun gut. Die Erkenntnis, dass vieles im Wildwuchs der Gesetzgebung und der Bürokratie begraben ist, ist weder neu noch haben wir hier ernsthafte Schritte zur Lösung der Probleme in der Verwaltung gewagt. „Digitalisierung in der Verwaltung setzt voraus, dass Prozesse neu durchdacht und Gesetze entsprechend geändert werden. Tatsächlich wurden erst wenige Gesetze angepasst. Auch der Digital-TÜV für neue Gesetze lässt auf sich warten. Es braucht deutlich mehr Entschlossenheit und Konsequenz für digitaltaugliches Recht.“ Wir haben hier bereits seit Jahrzehnten eine Anpassung des Verwaltungsrechtes gefordert, um überhaupt Digitalisierung möglich zu machen, z.B. 1993 in einem Vortrag „Die Einführung elektronischer Workflow-Systeme in der öffentlichen Verwaltung ohne Verwaltungsreform und ohne Neudesign der Prozesse ist nur die Elektrifizierung der vorhandenen Ineffizienz!„.

Die Grafik zum Projekt im Bericht des Normenkontrollrates zeigt eher Wirrwarr denn Einheitlichkeit: „Funktioniert das?„. Und es kommen neue Herausforderungen dazu: ab 2023 „Single-Gateway“-Verordnung, die Prinzipien „Digital First“ als Regelfall für Verfahren oder die „Once-Only“-Strategie, Informationen nur einmal für alle Anwendungen zu erfassen.

Nach außen zum Bürger orientierte Verfahren und interne Verfahren der Behörden divergieren. Gerade bei der Umsetzung der elektronischen Akte in internen Verfahren zeigen sich die Defizite. Die Fachzeitschrift eGovernment Computing hat eine Übersicht, welche Behörden und welche Ressorts bereits mit der elektronischen Akte arbeiten, zur Verfügung gestellt. Darin zeigen sich mehr Lücken als eine durchgängige Umsetzung. Dies verschärft noch einmal die Situation, da hierdurch neue Medienbrüche zwischen Elektronik und Papier generiert werden. Dem positiven Ausblick, alles innerhalb der geplanten Zeit zu schaffen, können wir uns nicht anschließen.

Zu viele Baustellen gleichzeitig. Und der Föderalismus und die Idee „wir sind anders, unsere Prozesse sind anders, wir arbeiten anders“ verhindert die effiziente Einführung standardisierter Lösungen. Deutschland hat noch einen sehr langen Weg vor sich, von Platz 21 sich auf die vorderen Ränge vorzuarbeiten. Dies wird auch einen Generationenwechsel im Personal und neue, einfachere Gesetze bedingen, bevor wirklich Erfolge sichtbar werden.

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

3 Kommentare zu “Status OZG und eAkte 2020

  • Registermodernisierung
    30. September 2020 um 19:05
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    Den Vater von Effie Briest ließ Theodor Fontane sagen: „Das ist ein weites Feld!“ (Beste filmische Implementierung übrigens mit Angelika Domröse, 1972).

    In der obigen Aufzählung fehlt neben OZG, E-Akte usw., noch die Registermodernisierung, die die Bundesregierung letzte Woche beschloss. Da werden 51 Register dadurch modernisiert, indem als neues personenbezogenes Merkmal die Steuer-ID eingebaut wird. Es gibt viele Wolfgang Ksoll, aber nur einen mit meiner Steuer-ID, die ich seit Jahren bei meiner selbstständigen Tätigkeit mit angeben muss im Rechnungsschriftverkehr (nach UK ohne E-Rechnung).

    Gegen die Verwendung der Steuer-ID laufen aber die „Datenschützer“ Sturm, u.a. mit dem Volkszählungsurteil von 1972, als es noch keine Digitalisierung gab und der Staat einfach so zum Zählen willkürlich personenbezogene Daten erheben wollte (notabene: Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung steht noch immer nicht im Grundgesetz, sondern wir nur im Richterrecht hineininterpretiert). In den Registern aber stehen nur Daten, die der Gesetzgeber, die das Parlament darin haben wollte. Aber die „Datenschützer“ mit ihren Allmachtsfantasien und ihrer Religion, dass ihr Datenschutz über Parlament und Bürger stünde, bekämpfen die Digitalisierung bis aufs Messer. Bei der ePA drohen sie mit Verfassungsgericht, weil ihre Religion ihnen angeblich gebietet, dass „Datenschutz“ über Krebsbekämpfung stünde, die man mit der ePA verbessern will.

    Doch ist das nicht das einzige Hindernis. Die Register müssen alle 51 überarbeitet werden: Platz für die Steuer-ID in der Datenbank und Software, um die ID einzugeben, ändern und löschen. Nehmen wir als Beispiel Melderegister. Früher hätte man den Lieferanten mit einem Upgrade beauftragt. Jetzt sagen aber die OZG-Akteure, die eine Webschnittstelle an das Melderegister nach dem OZG dran basteln wollen, dass das nur als Open Source Software geht für die 11.000 Kommunen. Damit sind dann die kommerziellen Lieferanten aus dem Geschäft gekickt.

    Aber das Bundeskanzleramt hat Abhilfe. Es hat eine gewerbliche GmbH (keine gemeinnützige) geründet, in der junge Kurzeitarbeiter die Digitalisierung in wenigen Wochen als Praktikanten für den Bund wuppen werden.

    Um Konstanz in das Geschehen zu bringen, hat der CIO des Bundes in seinem 9-Punkte Plan die nächste E-Government-Behinderung angekündigt. Nach gescheiterter QualSig, eID auf nPA, De-Mail soll nun der Personalausweis aufs Smartphone gebracht werden, um die „Zyprisschen“ E-Gov-Behinderung von 2001/2002 in öffentlichem und privatem Recht zu tradieren. Im Angloamerikanischen Raum kennt man sowas nicht, aber deutsche Juristen kennen den nicht, so dass wir freies Basteln wie in der Walldorfschule machen können (mit 20-jährigem Stillstand).

    Dann kam da noch die E-Akte auf. Die brauchen die, die das Früher tradieren wollen und DOMEA-like den Übergang von Papier zur Digitalisierung stoppen wollen. In Berlin hat ein Bieter aus Erfurt gegen die E-Akte-Vergabe sich beschwert und die Vergabe wurde aufgehoben. Berlin kann also ganz auf grüner Wiese schauen, was nach Registermodernisierung und OZG über bleibt für E-Akten.

    Aber vielleicht hilft wieder die Polizei, die anders als der Gesetzgeber die Vermieterbescheinigung beim Melderegister dabeihaben wollte. Aber dafür ist noch lange Zeit. Die Regierung hat erst jüngst eine Melderechtsentwurf in die parlamentarische Beratung gebracht, mit dem das Testen der An-, Ab- und Ummeldung ab 2021 erlaubt sein soll, weil ein finales Gesetz das ab Ende 2020 nach OZG erlauben soll. Das wird zeitlich eng, weil wir 2021 auch Wahlen haben. Das kann man sich jetzt für alle 575 OZG-Leistungen und alle 51 Register ausmalen.

    Das wird ein sehr weites Feld, um es mit Fontane zu sagen.

    Doch mit rheinischem Frohsinn werden wir weiter den Preußen Entwicklungshilfe geben für die Tugenden, die sie im Galopp verloren haben. Effie Briest hat zwar die Sturheit von Adel, Klerus und Militär mit dem Leben bezahlt, aber die Industrialisierung hat sich dennoch durchgesetzt und auch dem gemeinen Volk Wohlstand statt nur Drangsalm gebracht.

    Allerdings bauen wir mit unserer verspäteten Digitalisierung mehr Komplexität auf, als man mit Luhmannscher Systemtheorie erklären kann, insbesondere weil kein organisatorischer, rechtlicher und finanzieller Rahmen aufgesetzt wurde. Command-and-Control-gesteuerte Menschen können damit erheblich Schwierigkeiten bekommen, wie wir bei der IT-Konsolidierung des Bundes gesehen haben, als Bundeswehr rausflog, und BMF statt BMI in den Lead gehen musste.

    Dann schaue ich mir bisweilen in dem diese Woche erschienen Buch an, was Fontane in seiner erratischen Kriegsgefangenschaft 1870 in Frankreich erlebte, wo es im Krieg 1879/71 auch drunter und drüber ging wie in einem Käfig voller Narren.

    Antwort
    • Registermodernisierung und anderer Krams
      4. Oktober 2020 um 15:15
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      Lieber Herr Ksoll,

      vielen Dank für Ihre Ergänzung der Liste des „leicht chaotischen Agierens“ der deutschen Politik und Verwaltung. Man könnte da jetzt noch die aktuellen Diskussionen um das Urheberrecht, die Überarbeitung des IT-SIG, die deutsche Rolle bei der Vereinheitlichung von IDs und Signaturen in Europa, die Nutzung von Budget für die Ausstattung von Schulen, um Änderungen der DSGVO, das Debakel der Gesundsheitsakte und vieles weitere hinzufügen. Wir kommen irgendwie nicht „in die Hufe“.

      Bei aller berechtigten Kritik stellt sich aber immer die Frage, was kann man wie besser machen? Ist hier die Empfehlung auf Standardsoftware eines internationalen Softwareanbieter zu setzen die richtige? Macht es Sinn, den Föderalismus durch zentrale Vorgaben auf Bundesebene einmal auszuhebeln? Müssen die IT-Projekte anders gemanagt werden? Wie bekommt man die „deutschen Sonderlocken“ aus Gesetzen und Verordnungen weg?

      Gute Ratschläge gibt es viele, doch Veränderungen der miesen Situation sieht man wenige. Doch wollen wir angesichts der Feiern zum 30jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung einmal nicht zu hart und zu kritisch sein.

      Dr. Ulrich Kampffmeyer

      Antwort

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