M & A – Lexmark & SAPERION

20. August 2013 15:00 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Überraschung? Neuer Trend? Nein, eigentlich alles nicht. Die Ankündigung, dass Lexmark die SAPERION AG übernimmt, fand natürlich großes Interesse in Deutschland (Lexmark: http://bit.ly/Lexmark-Saperion; SAPERION: http://bit.ly/Lexmark_SAPERION): "Einer der bekannteren mittelständischen ECM-Softwareanbieter wird von einem "Drucker-Hersteller" aus den USA übernommen."

(1) Lexmark & die Übernahmeankündigung.
In den letzten Jahren ging die Übernahme von kleineren Anbietern durch größere ständig weiter. IBM kauft regelmäßig ein. Die kleineren Unternehmen werden dabei komplett aufgesogen. Im engeren ECM-Umfeld war Kofax war jüngst mehrfach auf Einkaufstour (Kapow, Singularity, Altosoft) und auch OpenText arrondiert regelmäßig (ICCM, Metastorm). HP, EMC, Oracle, Lexmark und andere nutzen ebenfalls Akquisitionen um schneller Technologien und neue Märkte zu besetzen. Die meisten der Übernahmen sollten die Portfolios der Großen mit neuen, aktuellen Technologien ergänzen. Die Übernahme von SAPERION findet in den deutschen Medien deshalb mehr Interesse, weil mal wieder ein deutsches mittelständisches "DMS-Traditionsunternehmen" übernommen wird. Lexmark hatte außer Perceptive schon Pallas Athena, Acuo, Brainware und andere ECM-nahe Anbieter im Rahmen der Strategie, sich als Lösungsanbieter zu platzieren, übernommen. 

(2) Lexmark & Perceptive.
Lexmark ist längst nicht mehr nur der Druckerhersteller. Zunächst im Output-Management-Bereich, dann aber verstärkt im ECM-Bereich hat sich Lexmark erfolgreich positioniert. Schlüsselprodukte kommen dabei von der übernommenen Firma Perceptive, deren Marke innerhalb Lexmark erhalten geblieben ist. Das Perceptive-Portfolio deckt Records Management, Workflow, DMS und andere ECM-Felder ab. Perceptive selbst hat sich mit Akquisitionen verstärkt (Brainware, Pallas Athena u.a.). Die Ankündigung der Übernahme von SAPERION ist nur im Volumen etwas größer.

(3) Lexmark & SAPERION.
Der Prozess der Verhandlungen lief eine ganze Zeit. Neben den Geldgebern von SAPERION (führend ViewPoint Capital Partners) war auch Gartner beteiligt. Gemessen am derzeitigen Umsatz haben die Eigentümer von SAPERION einen sehr guten Deal gemacht. Lexmark/Perceptive suchte schon länger einen besseren Zugang zum Markt. In Deutschland mit seinen Besonderheiten wie der Archivierung und der Signaturen konnte Perceptive seit dem Antritt keinen Meter Boden gutmachen. Und dabei ist Deutschland einer der wichtigeren größeren Märkte für ECM in Europa. SAPERION mit seinen Internationalisierungsbemühungen passt gut in die generelle Strategie von Lexmark.  Saperion ist als einziger deutscher ECM-Anbieter im ECM-Magic-Quadrant von Gartner positioniert. Dies dürfte auch einige Punkte bei der Wahl von SAPERION durch Lexmark gegeben haben (denn es waren auch andere Anbieter  im Gespräch).

(4) Lexmark, Perceptive & SAPERION.
Die entscheidende Frage für die Zukunft wird die Form der Integration sein. Bleibt SAPERION als Marke (und Unternehmen) erhalten, wird es eine eigenständige Company im Company-Framework von Lexmark? Oder übernimmt Perceptive SAPERION, lässt Marke und Unternehmensidentität verschwinden? Jedes internationale Unternehmen hat da so seine eigenen Strategien. Für den europäischen Markt ist SAPERION sicherlich weiterhin eine gute Marke, international ist natürlich Lexmark breiter aufgestellt. Und natürlich will Lexmark auch all die immer beschworenen Synergie-Effekte nutzen und die neu erworbenen Produkte auch global vermarkten. Dies dürfte für SAPERION hilfreich sein, denn in Bezug auf die Internationalisierung des Geschäftes – trotz oder wegen Wachstum – drehte die Berliner AG hier an einem sehr großen Rad. In jedem Fall gilt es für Lexmark Ordnung zu schaffen, damit sich Perceptive und SAPERION nicht gegenseitig kannibalisieren. Immerhin ist SAPERION gemessen an der Gesamtgröße von Lexmark klein genug für eine komplette Integration. Dies wird später über kurz-oder-lang auch passieren, denn die Richtung steht klar in den Mitteilungen: "Saperion wird Teil des weltweiten Perceptive-Teams von Experten im Bereich Prozess- und Content-Management. Gleichzeitig wird die weltweite Präsenz von Perceptive Software durch die starke Stellung von Saperion im europäischen Markt weiter ausgebaut." und "Durch die Zusammenarbeit mit Perceptive werden sich für Saperion neue Märkte öffnen. Dadurch können wir unsere Lösungen und unseren Support in Regionen anbieten, in denen wir bisher nicht vertreten waren." Nach der Freigabe durch die Aufsichtsbehörde können wir uns also von SAPERION als Unternehmen verabschieden.

(5) Perceptive & SAPERION Portfolios.
Natürlich werden in allen Pressemitteilungen die Synergie-Effekte beschworen: "Das Team von Saperion hat sehr gute Technologien für das Prozess- und Content-Management entwickelt. Dazu gehören mobile und Cloud-basierte ECM-Lösungen, die bei mittelständischen und Großunternehmen in ganz Europa im Einsatz sind." Also "Cloud & Mobile" – nun gut, hier hat SAPERION erst vor relativ kurzer Zeit begonnen Lösungen zu entwickeln. Die Stärken, auch bei vielen der Groß-Kunden, sind immer noch klassische Archivsysteme. Hier hatte Perceptive wenig anzubieten, da international eher die Kombination Records Management (gut ausgepägt bei Perceptive) mit einem sicheren Speicher angesagt ist – und nicht das eher typisch deutsche Konzept der elektronischen Archivierung. Records Management ist dagegen in Deutschland immer noch nur bei Pharma-, Finanz- und wenigen anderen Branchen ein Thema, ansonsten Neuland. Hier wäre also eine gute Ergänzung gegeben mit Archivierung und Besonderheiten wie Signaturen, Posteingangslösungen und ähnlichem. Betrachtet man aber den Bereich von Workflow und BPM Business Process Management, dann überwiegen hier die Überschneidungen. Auch deshalb, weil Perceptive sich hier durch Aufkäufe wie Athena verstärkt hatte.

(6) SAPERION & Kunden.
Es wird also nicht einfach, die Portfolios zu konsolidieren und zu vereinheitlichen. Und man darf eines nicht übersehen – die Großkunden von SAPERION werden darauf dringen, dass die Produktpalette weiter gepflegt und weiter entwickelt wird. Hier kann Perceptive keinen Schnitt machen, denn die gute Kundenbasis war sicher ein Argument für den Kauf von SAPERION. Also wird es hier Kontinuität bei den Produkten geben – aber auch bei den Mitarbeitern? Bei Übernahmen wird nach einer Weile regelmäßig aussortiert. Viele gehen auch vorher, z.B. zu einem Partner, auf die Lexmark/Perceptive/SAPERION weiterhin angewiesen ist (das Partnergeschäft war die strategische Ausrichtung vopn SAPERION). Es wird also Wechsel bei Ansprechpartnern geben und gegebenfalls auch Knowhow-Einbußen. Hierauf müssen sich die SAPERION-Kunden zeitnah einrichten. Das SAPERION-Management-Team selbst wird in den "Genuss" eines internationalen Reportings an die Muttergesellschaft kommen – wahrscheinlich deutlich mehr Stress und Zeitaufwand als bisher.

 

(7) Lexmark & der Wettbewerb.
Es lohnt ein Blick auf die traditionellen Wettbewerber von Lexmark im Drucker- und Multifunktionsgeräte-Markt. Canon und Ricoh waren schon immer sehr rührig im Umfeld von ECM. Eigene Softwareprodukte und komplette Lösungsangebote besonders für den Mittelstand. Mit MFPs hatte man sich ein zusätzlichen Eingang ind ie Unternehmen geschaffen. Auch Samsung denkt in diese Richtung und führt inzwischen auch ECM-Projekte durch. Am weitesten vorn war aber immer XEROX. Docushare-Software kann sich mit fast jeder anderen mittleren ECM-Software messen. Betrachtet man den Markt unter dem Blickwinkel ECM-Software, dann dürften jetzt XEROX und LEXMARK gleichauf sein. Canon, Ricoh, Kyocera und die anderen sind eher etwas zurückgefallen. Die Gesamtstrategie von Lexmark – unterstützt durch eine gute finanzielle Basis – geht auf.

 

(8) Resumée.
Kein einfache Hochzeit, auch keine Traumhochzeit. Beide Ehepartner suchten schon länger, allerdings aus verschiedenen Gründen. Die Überschneidungen im Portfolio sind deutlich und der Spielraum der Bereinigung wird durch die Kunden- und die Partnerbasis von SAPERION beschränkt. Es wird also eine Weile so weitergehen wie bisher und dann wird suksessive SAPERION "aufgesaugt".

 

Ulrich Kampffmeyer

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

Ein Kommentar zu “M & A – Lexmark & SAPERION

  • Konsolidierung? OpenText übernimmt Cordys
    26. August 2013 um 16:30
    Permalink

    Wie schon im Ursprungsbeitrag erwähnt, läuft das Kaufen und Gekauftwerden schon immer.

    Heute war es denn OpenText, die Cordys für 33 Mio. zur Verstärkung ihrer BPM-Aktivitäten übernommen hat: http://bit.ly/OT-Cordys. Cordys verstärkt das EIM-Portfolio von OpenText im Business Process Management Bereich mit einer mandantenfähigen Plattform (multi-tenant SOA based architecture) und Entwicklungsumgebung (CAF Composite Application Framework). Die Komponenten von Cordys ergänzen aber nicht nur das OpenText BPM-Angebot – es gibt auch Überschneidungen. Cordys soll zukünftig "OpenText Cordys" heißen. Die Integration in OpenText erfolgt schrittweise.

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