EIM Enterprise Information Management in der BIT
20. Oktober 2016 10:43 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
Für die BIT-Ausgabe zur IT & Business versandte Torsten Wiegand von der BIT drei Fragen, um den Stellenwert von EIM Enterprise Information Management zu eruieren. Eigentlich waren für die Ausgabe September alle Interviews vorgesehen – jedoch machte es das große Echo notwendig, die Kommentare aufzuteilen.
In der BIT 5-2016 erschienen zunächst die Kommentare von Anbietern. Darunter sowohl Software-Hersteller als auch Integratoren: "Kontrovers diskutiert" (http://bit.ly/BIT-EIM). In der "ECM vs. EIM: Eine Umfrage unter Lösungsanbietern" ging es der BIT um folgende Fragen zu "EIM als Markttrend:
- Sehen Sie in Enterprise-Information-Management (EIM) einen Markt-relevanten Trend
- Bedeutung/Stellenwert: Welche Bedeutung hat EIM für Ihr Unternehmen?
- Akronym: Hat die Bezeichnung Chancen, sich nachhaltig zu etablieren bzw. ist dies bereits geschehen? Überfordern die zahlreichen BranchenAkronyme nicht bereits die Anwenderunternehmen?
- Neue Anforderungen und Konzepte: Gehen mit dem Blick auf Informations-Management auch neue praxisrelevante Lösungen, neue technologische Konzepte oder neue organisatorische Betrachtungen einher?"
Schon in den Fragen wie auch im Intro des Beitrages wurden eine Reihe von Thesen von PROJECT CONSULT aufgegriffen. BIT scheibt als Intro (http://bit.ly/BIT-EIM):
"Die „künstliche Debatte“ um ECM oder EIM und Diskussionen um Akronyme der Branche ist nicht zielführend und sollte schnellstens beendet werden – so das Feedback eines Consulters, der sich nicht an unserer Umfrage beteiligen wollte. „Die Kunden interessieren sich für Lösungen und nicht für deren Namen“, meinte ein anderer. „Rein akademisch und wenig kundenorientiert“ lautete das Urteil eines weiteren Befragten. Vielmehr würden die Kunden von Digitalisierung sprechen und von den dazugehörigen Herausforderungen bzw. Potenzialen, die bestehen. Das stimmt wohl, dennoch haben 20 Lösungsanbieter, Verbände und Berater diese Umfrage für wichtig erachtet und sich die Zeit genommen, daran teilzunehmen. Die Antworten der Lösungsanbieter lesen Sie auf den folgenden Seiten. Die Statements der Verbände und Berater veröffentlichen wir in der nächsten BIT Ausgabe, die im November erscheint."
Auffällig ist, daß Integratoren und Newcomer im Markt eher auf den Begriff EIM Enterprise Information Management setzen, als die traditionellen mittelständischen Anbieter aus Deutschland. Hier klammert man sich noch an ECM Enterprise Content Management.
Bei PROJECT CONSULT sind wir schon länger einen Schritt weiter und sprechen nur noch von Information Management als der großen Klammer für die Branche: http://bit.ly/ECM_to_EIM.
Unsere Antworten auf die drei Fragen der BIT.
— Fragen der BIT —
<Wiegand> Im Rahmen unserer EIM-Umfrage würden wir gerne in der BIT 5/2016 Ihr Statement wiedergeben. Dazu möchten wir Sie bitten, folgende Fragen zu beantworten:
1. Enterprise-Information-Management spaltet nach wie vor die Branche. Sehen Sie in EIM einen marktrelevanten Trend?
<Kampffmeyer> Zum Einen gibt es keine geschlossene Dokumentenmanagement- oder Enterprise-Content-Management-Branche mehr: traditionelle Anbieter haben sich in angrenzende Anwendungsgebiete bewegt, neue Anbieter mit anderen Ansätzen sind in den Markt gekommen und unter dem Etikett ECM oder DMS finden sich nur noch wenige Hersteller wohl. Ähnlich sieht es mit dem Begriff EIM Enterprise Information Management aus. Einige ECM-Anbieter und Verbände haben sich inzwischen hier positioniert, aber durchgesetzt hat sich die weitergefasste Definition eines Portfolios von Lösungen für Management und Erschließung bisher nicht. Dies liegt auch daran, dass es für Enterprise Information Management keine allgemein anerkannte Definition gibt. Dies war bei Enterprise Content Management anders. Definition, funktionaler Umfang und Anspruch an Lösungen blieben nahezu 15 Jahre stabil. Bei Enterprise Information Management sind sehr unterschiedliche Interpretationen sichtbar: von der Weiterentwicklung aus Enterprise Content Management heraus, wie wir dies sehen, aber auch komplett losgelöste Ansätze wie z.B. bei Gartner. Anbieter, die immer schon mehr als den traditionellen Kanon von Funktionen und Modulen abdeckten – z.B. SAP, OpenText und andere – fühlen sich mit dem Begriffsbestandteil „Information“ wohler als mit „Content“. Letzterer Begriff wird vielfach nur im Zusammenhang mit Web Content, also WCM, gesehen, was deutlich zu eng ist und überhaupt nicht passt. „Information“ ist dagegen generalistischer um umfasst auch Arten von Information, die bisher im Dokumentenmanagement und ECM vernachlässigt wurden. Es geht heute darum, alle Arten von Information erschließbar und verwaltbar zu machen.
<Wiegand> 2. Hat die Bezeichnung EIM Chancen, sich nachhaltig zu etablieren bzw. ist dies bereits geschehen? Überfordern die zahlreichen Branchen-Akronyme nicht bereits die Anwenderunternehmen?
<Kampffmeyer> Wie bereits ansatzweise oben ausgeführt hat sich EIM Enterprise Information Management noch nicht etabliert, zumindest nicht bei denjenigen Anbietern und Analysten, die bisher dem Bereich Enterprise Content Management zugeneigt waren. In Deutschland hat sich der Verband „Voice of Information“ für Enterprise Information Management als neues Leitmotto entschieden. Auch deutsche Integratoren wie CENIT oder TQG sehen sich als Anbieter von umfassendem Enterprise Information Management. Es ist also „Bewegung“ im Markt, aber keine gemeinsame Positionierung aller Anbieter die eigentlich dazugehören – müssten. Der Markt ist regelrecht zerfleddert und die gemeinsamen Ziele, ein gemeinsames „Banner“ unter dem sich alle versammeln, sehe ich nicht. Auch ist der Begriffsbestandteil „Enterprise“ unter Druck, da viele Informationen des Unternehmens oder für das Unternehmen sich inzwischen außerhalb der Grenzen des Unternehmens befinden, jedoch auch „gemangt“ werden müssen. Hier ist an Social Media, Partner-Portale, Supply-Chain und anderes zu denken. Wir sprechen daher lieber gleich von Informationsmanagement. Ihre Frage nach den Akronymen kann ich mit einem Lächeln beantworten – Akronyme interessieren Entscheider in Anwenderunternehmen kaum und schon gar nicht die Akronyme der Vergangenheit … BPM, ECM, DMS usw. Andere Schlagworte sind in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Aber auch Cloud, Analytics, Mobile sind heute schon Selbstverständlichkeiten und keine Trends mehr. Die Schlagzeilen von Publikationen, Veranstaltungen, Trendberichten etc. bestimmen heute Themen wie Digitalisierung, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Automatisierung und andere. Das, was die DMS- und ECM-Anbieter im Portfolio hatten ist bei diesen Themen nur ein nachgeordneter Schauplatz von Infrastruktur, der von den neuen Lösungen genutzt wird, aber selbst nicht mehr im Fokus steht. Da helfen auch keine alten und neuen Akronyme. Es ist daher müßig darüber zu philosophieren, ob sich EIM und Enterprise Informationen Management als Branchen-Identifikation und Sammelbezeichnung für einen definierten Funktionsumfang durchsetzt. Die Trends werden woanders gemacht und ECM/EIM/DMS greifen eigentlich nur noch Entwicklungen auf, nutzen oder intergieren diese. Eigenständige Innovation ist angesichts der – positiven – Maturität der ECM/EIM/DMS-Lösungen nicht zu sehen.
<Wiegand> 3. Gehen mit dem Blick auf Informations-Management auch neue praxisrelevante Lösungen, neue technologische Konzepte oder neue organisatorische Betrachtungen einher?
<Kampffmeyer> In dem Maße wie Enterprise Content Management zur notwendigen Infrastruktur geworden ist, wird das Thema Lösungen sowohl für Anbieter als auch natürlich für die Anwender immer wichtiger. Viele der bekannten mittelständischen Hersteller bauen auf Basis ihrer Produkte solche Anwendungslösungen, die konkrete Geschäftsprobleme lösen. Welches „ECM“-Produkt dabei im „Untergrund“ genutzt wird, spielt eine nachgeordnete Rolle. Entscheidender ist die tiefe Integration in die gesamte Anwendungslandschaft, wo andere Systeme wie ERP, CRM, PLM und Fachanwendungen den Ton angeben. Vielfach bleibt dann auf der Anwendungsoberfläche nur ein Postkorbsystem oder eine elektronische Akte sichtbar. Für die Entscheider auf Anwenderseite stellt sich dann häufig die Frage, nutzt man ECM als Basis für Fachanwendungen oder ergänzt man Fachanwendungssysteme nur um Dokument-orientierte Funktionsbausteine. Letzteres setzt sich durch, da auch mit anderen Standard-Geschäftsanwendungen immer mehr dokumenten-orientierte Funktionalität ausgeliefert wird – vom Archiv über den die Dokumentanzeige bis zum Workflow. Dieser Druck wird noch durch zwei andere Trends verstärkt. Zum einen geht der Trend zu immer mehr strukturierten Daten, weg vom gescannten oder Office-Dokument. Dies wird besonders durch den Einsatz mobiler Geräte vorangetrieben. Man denkt, man sieht ein Dokument, aber es sind nur Daten in einem Layout, die zu scheinen, als seien sie ein klassisches Dokument. Daten haben weniger Volumen, lassen sich einfacher verarbeiten und kontrollieren sowie in einer mobilen Umgebung deutlich einfacher präsentieren. Daher auch die Erweiterung von Enterprise Content Management zu Enterprise Information Management sinnvoll, da hier die nicht mehr praktikable Unterscheidung in strukturierte Daten und unstrukturierte Dokumente aufgehoben wird. Der zweite Ansatz der den traditionellen Anbietern Druck macht ist die Cloud. Hier ist natürlich zu unterschieden zwischen SaaS-Angeboten, wo ich eine vorkonfigurierte Standard-Lösungen in der Public Cloud für Archivierung, Collaboration oder anderes nutze. Natürlich kann man auch traditionelle ECM-Lösungen, wie schon seit langem im Outsourcing, in einer private Cloud nutzen, jedoch machen Perfomance, Sicherheit, Leitungskapazität bei Nutzung herkömmlicher ECM-Software in einer Private Cloud als PaaS oder IaaS häufig Probleme bei Architektur und Integration. Die ECM-Anbieter haben sich auch in die Cloud bewegt, treffen hier aber auf Wettbewerber aus ganz anderen Bereichen, die sich weder dem alten ECM-Konzept noch einer neuen EIM-Vision zugehörig fühlen. Jedoch werden die Strategien und Methoden, die ECM wie auch EIM auszeichnen, mehr denn je benötigt, denn um die Verwaltung oder gar langjährige Verfügbarhaltung von Information kümmern sich die wenigsten „Newcomer“. Verwaltung und Beherrschung – Information Governance – der Information sind essentiell. Egal ob man Big Data, IoT, Digital Transformation, Artificial Intelligence, Wissensmanagement oder was auch immer als Leitmotto verwendet. So gesehen haben ECM- wie auch DMS- wie auch EIM-Komponenten eine Zukunft – allerdings nur im Untergrund, der Infrastruktur, als Dienste. Löst man sich aber vom technologischen oder funktionalen Blick auf die Akronyme und Kategorien, dann wird die eigentliche Bedeutung von Informationsmanagement sichtbar. Nur wenn man alle Information im Blick hat, kann man unterscheiden und entscheiden, was einen Wert hat, um im ECM, im Archiv oder Records Management geordnet verwaltet zu werden. Dieser Wert von Information definiert den Umgang mit Information und damit dann auch die organisatorischen und technischen Mittel. Information Management bietet hier den organisatorischen Rahmen, weniger einen technologischen Ansatz. Was man zur Verwaltung von Information braucht ist weitgehend matur. Bei Nutzung und Erschließung spielt die Musik, die aber durch andere Software und andere Nutzungsmodelle bestimmt wird. Information Management hat, ebenso wie Digital Transformation, nicht in erster Linie mit Technologie zu tun.
— Header/Footer —
Dr. Ulrich Kampffmeyer ist Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung in Hamburg (www.PROJECT-CONSULT.de). Er beschäftigt sich mit dem Thema Informationsmanagement seit über 35 Jahren. Von der Computerwoche wurde er zweimal und als einziger Berater aus der ECM-Branche unter die wichtigsten 100 IT-Macher Deutschlands gewählt. Von ihm stammen Definitionen wie revisisionssichere Archivierung und Enterprise Content Management. Er selbst propagiert seit einigen Jahren die Weiterentwicklung über EIM zum Information Management.