EIM – einige Gedanken zu einem neuen, alten Akronym
15. Juni 2013 13:02 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
Die Akronymologie verzeichnet besonders im Bereich der Informationstechnik immer neue Blüten. Fast scheint der Vorrat möglicher 3-buchstabiger oder 4-buchstabiger Akronyme – zumindest der schönen, gut aussprechbaren – verbraucht. Und – Akronyme haben einen Lebenszyklus. Wenn sie nicht über die Zeit uminterpretiert werden, scheinen viele ausgelutscht, abgegriffen, verbraucht. Zumindest nach der Meinung der Marketiers.
So geht es zur Zeit dem Akronym ECM für Enterprise Content Management. In Deutschland kaum bekannt, gilt ECM international schon fast synonym mit veralteten “inhouse-on-premise”-Lösungen für Dokumente und Artverwandtes. ECM wird zum Dienst im Untergrund und erfüllt so die ursprüngliche Vision des Enterprise Content Management, der Zusammenführung von strukturierten und unstrukturierten Informationen. Aber wie soll sich nun die Branche neu fokussieren, damit sie sichtbar bleibt? Hier kommt nun EIM, Enterprise Information Management, ins Spiel.
Was macht EIM aus?
Beim Enterprise Information Management geht es um die durchgängige Verwaltung und Nutzung aller Informationen unabhängig vom Informationstyp oder Speicherort. Den Begriffsbestandteil Enterprise könnten wir auch bequem weglassen, aber Enterprise soll hier so benutzt werden, dass es für unternehmensinterne, die Geschäftstätigkeit von Unternehmen betreffende und unternehmensweit nutzbare Informationstechnologielösungen geht. IM – Information Management – wäre wieder zu generisch, um einer Branche eine fassbare Identität zu geben. Aus Sicht der Marketingabteilungen und Analysten macht der Weg von ECM zu EIM durchaus Sinn. Man verlässt damit auch nicht die ursprünglichen Entwicklungsbahnen, die von der Archivierung, dem Records- und Dokumentenmanagement über Workflow und BPM zu Anfang unseres Jahrtausends zu ECM führten. Besser erschien vielen dieser Begriff als andere Schlagworte, die zwischenzeitlich ins Feld geführt wurden wie Enterprise 2.0 oder Social Business.
Auf EIM zu schwenken bedeutete für viele Anbieter keine vollständige Änderung von Portfolios und Positionierungen, eher Evolution denn Revolution. Allerdings macht sich der EIM-Trend die aktuelle Revolution in der Kommunikations-, IT- und Software-Welt zu Nutze. Während bei ECM vielfach die “Legacy” aus Client-Server-Umgebungen mit Microsoft-Desktops dominiert und der Web-Client die einzige Reminiszenz an heutige Zeiten scheint, kommen die Impulse für EIM aus der Szene von Apps, Mobile, Ubiquituous Computing, Tablets, Cloud & Co. EIM versucht hier den Anschluss zu gewinnen und ECM in eine neue Ära hinüberzuretten. Doch wie steht es um die Qualität des neuen Paradigmas? Ist eine eigenständige Würdigung angebracht oder ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen?
EIM hat eine neue Qualität
Es gibt sie wirklich, die neue Qualität von Enterprise Information Management! In der Vergangenheit haben sich System- und Branchenkategorisierungen häufig an der Form der Information orientiert, die verarbeitet wurde. “Imaging” beim Scannen und Darstellen von Faksimiles, “Document Management” bei der Verwaltung von schwach strukturierten Informationsobjekten aus Office-Umgebungen und dem Dateisystem; “E-Mail-Management” zur Handhabung des Mediums E-Mail; “Business Process Management” zum Managen von Geschäftsprozessen; “Content Management” hauptsächlich zum Nutzen und Verwalten von Content im Web-Umfeld; “Records Management” zur Steuerung und Kontrolle aufbewahrungspflichtiger Informationen; “Digital Asset Management” für Media-Objekte; usw., usw.
Diese Trennung nach Informationsformaten und Funktionalität ist nicht mehr akzeptabel. Es gilt, alle Formen von Informationen einheitlich, nach den gleichen Regeln und mit der gleichen Qualität unabhängig vom Erzeuger und der erzeugenden Anwendung, unabhängig von Ort und Zeit, unabhängig vom Medium und Device zu managen! Längst sind die Unterschiede zwischen strukturierten Daten, schwach strukturiertem Content und unstrukturierten bildhaften Dokumenten verschwunden. Software muss heute alle Typen von Informationsobjekten nutzbar, steuerbar und kontrollierbar bereitzustellen. Es geht um die alte, längst vergessene Vision von Bill Gates “Information at your Fingertips”, es geht um reale Lösungen für das “papierlose Büro”, es geht darum, Information entsprechend ihrem Wert zu verwalten. Die Informationsverwaltung tritt hier endlich gleichberechtigt neben die Informationsverarbeitung, die lange die Entwicklung von Software dominierte.
Information Management ist eine Notwendigkeit
Ein Anlass hierfür ist die überwältigende Informationsflut, deren Anstiegskurve schon so lange exponentiell nach oben zeigt, dass sie bald einmal rückwärts umkippen müsste. Steiler als senkrecht geht nicht. Die Handhabung von Information wird daher immer wichtiger – um sie nutzen zu können und um die Abhängigkeit von Richtigkeit und Verfügbarkeit in den Griff zu bekommen. Informationsmanagement ist eine Notwendigkeit für das zukünftige Überleben von Unternehmen, Organisationen und der hoch entwickelten, technologiebasierten Gesellschaft. Information hat nur dann einen inhärenten Wert, wenn sie als Wissen und in Prozessen genutzt wird. Vielfach sind die Informationssammlungen in den Unternehmen nur gigantische Datengräber. Obwohl es seit über 40 Jahren elektronische Archivierung und Dokumentenmanagement gibt, ist die durchgängige Durchdringung einer kontrollierten Informationsverwaltung in den Unternehmen längst noch nicht gegeben.
Hier setzen zu Zeit zwei Kräfte an: einerseits EIM – Enterprise Information Management – mit einem kontrollierenden, steuernden, Ordnung-schaffenden Ansatz herkömmlicher Philosophie, und andererseits das neue Trendthema “BigData”, wobei man eigentlich von Big Data Analytics (BDA) sprechen müsste. Wie schon Enterprise Search in der Vergangenheit, verspricht uns Big Data noch mehr die Erschließung beliebig großer heterogener Informationsbestände ohne vorher Ordnung zu schaffen. Die notwendige symbiotische Verschmelzung von Information Management und Information Analytics wird vielfach noch ignoriert. Entscheidend für die Qualität der Ergebnisse von Search und Big Data wird zukünftig die Informationsqualität sein. Und diese kann nur durch konsequentes Information Management, die nachhaltige, steuernde, aussondernde, kontrollierende, Relevanz-schaffende Bewirtschaftung der Informationsbestände gewährleistet werden.
EIM ist eine Notwendigkeit für jedes Unternehmen. Dies gilt auch und gerade, wenn man das Management der eigenen Informationen Dritten im Outsourcing, in der Cloud, mit SaaS anvertraut. Das Wissen um die Information, was, wo mit welchem Wert vorliegt, ist hier besonders essentiell, um Abhängigkeit bewusst zu begrenzen. EIM wird auch bald den Zusatz “Enterprise” verlieren, denn es gilt generell Information zu verwalten, über die Grenzen des Unternehmens hinaus, mit Partnern, mit Lieferanten, mit Kunden, mit der Öffentlichkeit, mit den Behörden und dem Rest der Welt.
Der Artikel in der DOK: http://bit.ly/DOK-EIM
Die Konferenz zum Thema: http://bit.ly/EIM-K-2013
Freier Eintritt zur Konferenz: http://bit.ly/EIMK2013